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Peter Sander

Das Catchen am Heumarkt geht in die nächste Runde. BVwG befindet Städtebauprojekt als UVP-pflichtig

Das Catchen am Wiener Heumarkt auf dem Gelände des heutigen Eislaufvereins war eine der Attraktionen der Nachkriegszeit. Und es scheint so, also würde sich das in Form einer mit Inbrunst geführten politischen und rechtlichen Auseinandersetzung rund um die Neugestaltung dieses Areals fortsetzen. Das vorläufig letzte Wort dazu sprach das BVwG mit Erkenntnis vom 9.4.2019, W104 2211511-1/53E, indem es festhielt, dass für dieses Städtebauprojekt eine UVP-Pflicht gegeben ist.

Dieses Judikat ist gleich aus zweierlei Gründen von höchster Brisanz. Zunächst hatte der in erster Instanz noch erfolgreiche Projektwerber – sein Vorhaben wurde von der Wiener Landesregierung als nicht UVP-pflichtig erkannt – seinen UVP-Feststellungsantrag eigentlich zurückgezogen. Und zwar genau zu dem Zeitpunkt, als erkennbar war, dass das BVwG in eine Einzelfallprüfung – und damit in eine inhaltliche Beurteilung der Auswirkungen des Vorhabens auf die Wiener Innenstadt als UNESCO-Welterbestätte – einsteigen will. Genau das hat das BVwG aber nicht beeindruckt – es führte das Verfahren, welches aufgrund von Beschwerden etlicher Einzelpersonen und einer NGO eingeleitet wurde, fort. Das Gericht stützt sich hier auf eine Entscheidung des VwGH vom 29.11.2018, Ra 2016/06/0034, in welcher es der VwGH als nicht beachtlich ansah, dass der UVP-Feststellungsantrag durch eine dazu gar nicht berechtigte NGO gestellt wurde, da die Behörde die Feststellung ja auch von Amts wegen treffen konnte. Daraus sei – so das BVwG – abzuleiten, dass auch im verfahrensgegenständlichen Fall, in welchem der antragsberechtigte Projektwerber seinen Feststellungsantrag zurückzog, das BVwG zuständig bleibe. Immerhin erginge ein Feststellungsbescheid zur UVP-Pflicht eines Vorhabens in erster Linie im öffentlichen Interesse. Eine Aufhebung durch das BVwG und nachfolgende neuerliche Einleitung des Verfahrens nun vom Amts wegen würde dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis, aus Sicht der Beschwerdeführer aber auch dem Recht auf ein faires, gerechtes, zügiges und nicht übermäßig teures Überprüfungsverfahren widersprechen.

In der Sache selber erkannte das BVwG, dass das UVP-G 2000 die UVP-Richtlinie hinsichtlich der Städtebauprojekte unzureichend umsetzt. Anhang 1 Z 18 lit. b UVP-G 2000 würde Städtebauvorhaben nur anhand von Größenkriterien (Flächeninanspruchnahme und Bruttogeschoßfläche) regeln, nicht aber schutzwürdige Gebiete, wie die in diesem Verfahren relevante UNESCO-Welterbestätte „Historisches Zentrum von Wien“ berücksichtigen. Damit sei in Direktanwendung der UVP-RL eine Einzelfallprüfung durchzuführen. Dem folgend sei auch nicht maßgeblich, dass das Vorhaben entgegen der Definition des Städtebauvorhabens in Anhang 1 Fußnote 3a UVP-G 2000 über keine inneren Erschließungsstraßen verfüge.

Nach Durchführung der Einzelfallprüfung entschied das BVwG aufgrund der zu erwartenden wesentlichen Beeinträchtigung der UNESCO-Welterbestätte, dass das Vorhaben der UVP-Pflicht unterliegt. Die ordentliche Revision wurde zu den beiden soeben beschriebenen Punkten zugelassen.

Anmerkungen:

  1. Die Entscheidung des BVwG wird – so sie vor den Höchstgerichten Bestand hat – Auswirkungen weit über den Anlassfall hinaus haben.

  2. Zunächst müssen sich Projektwerber doppelt überlegen, ob sie UVP-Feststellungsverfahren einleiten. Die Geister, die sie damit rufen, werden sie nämlich nicht mehr los. Wenn sich der VfGH der Ansicht des VwGH anschließt (und darin also keine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter sieht), wird die mangelnde Antragslegitimation für NGOs im UVP-Feststellungsverfahren ab sofort dadurch kompensiert, dass das Verfahren auch bei Zurückziehung des Antrags durch den Projektwerber nicht mehr eingestampft werden kann.

  3. Genauso brisant ist der Umstand, dass das Gericht einmal mehr den Gesetzgeber der lückenhaften Umsetzung überführt. Das kann auch andere UVP-Vorhaben tangieren, für welche das UVP-G 2000 ebenfalls nur Größenkriterien, aber keine Berücksichtigung der Lage in einem schutzwürdigen Gebiet kennt. Projektwerber, die sich – gut beraten – auf die sichere Seite legen wollen, werden diesen Umstand künftig mitbedenken müssen. Das Vertrauen auf den bloßen Gesetzestext verliert angesicht der sukzessiven richterlichen Rechtsfortbildung damit immer mehr an Bedeutung.

  4. Das nächste Wort in dieser Sache wird nun – wenn man die Entscheidungspraxis und -geschwindigkeit der Höchstgerichte kennt – der Verfassungsgerichtshof sprechen. In der Zwischenzeit können sich die Bau- und Gewerbebehörden ja überlegen, ob die Sperrwirkung des § 3 Abs. 6 UVP-G 2000 auch im vorliegenden Fall einer Städtebauvorhabens-„Rahmengenehmigung“ gilt und damit bau- und gewerberechtliche Bewilligungen ausschließt.

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