In einer jüngst veröffentlichten Entscheidung vom 20.4.2023 hat sich der EuGH in der Rechtssache C-580/21 mit Fragen bezüglich dem vorrangigen Netzzugang von Hybridanlagen (in casu Strom-Erzeugungsanlagen mit gleichzeitig erneuerbaren und nicht erneuerbaren Anteilen) beschäftigt, welche ihm vom deutschen Bundesgerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt wurden.
Zentrales Element des Urteils bildet dabei die Auslegung des Art 16 Abs 2 lit c der Erneuerbare-Energie-RL (2009/28/EG).
Ausgangssituation:
Den hierfür anlassgebenden Sachverhalt bildet ein Rechtsstreit zwischen dem deutschen Stromerzeugungsunternehmen EEW Energy from Waste GmbH (EEW) und der als Netzbetreiber auftretenden Mitteldeutschen Netzgesellschaft Strom GmbH (MNG).
EEW betreibt dabei eine thermische Abfallverwertungsanlage zur Strom- und Wärmeproduktion, wobei im Prozess selbst simultan biologisch abbaubare Abfälle mit anderen Abfallarten verbrannt werden (Hybridanlage), jedoch die Höhe des biologisch abbaubaren Anteils variiert und bis zu 50% der gesamten Abfallmenge betragen kann. Ein Teil des erzeugten Stroms wird folgend in das Verteilernetz eingespeist, wofür MNG verantwortlich ist.
Nachdem MNG die EEW zwischen 2011 und 2016 dazu aufgefordert hat, wegen Netzengpässen eine vorübergehende Reduzierung der Stromeinspeisung vorzunehmen, begehrte die EEW einen Entschädigungsanspruch gegenüber der MNG wegen der geforderten Beschränkung.
Das Berufungsgericht hat in der Folge die Klage mit der Begründung verneint, dass der in der Anlage von EEW erzeugte Strom nicht ausschließlich aus erneuerbaren Energieträgern gewonnen wird und die Anlage daher nicht als „Anlage zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien“ iSd anwendbaren nationalen Bestimmungen einzuordnen sei.
Die EEW legte in weiterer Folge beim deutschen Bundesgerichtshof Revision ein, welcher das Verfahren zwischenzeitlich aussetzte, um den EuGH in einem Vorabentscheidungsersuchen um Klarheit zu bitten.
Ergebnisse EuGH:
Bezüglich der ersten vorgebrachten Frage, hat der EuGH zunächst erkannt, dass der vorrangige Zugang zum Stromnetz für Stromerzeugungsanlagen, die erneuerbare Energiequellen einsetzen, NICHT NUR denjenigen Anlagen zu gewähren ist, die Strom ausschließlich aus erneuerbaren Energiequellen erzeugen, sondern auch solchen, welche Strom sowohl aus erneuerbaren als auch aus herkömmlichen Energiequellen erzeugen (sog Hybridanlagen).
Dem Gerichtshof folgend kann daher festgehalten werden, dass der Fakt, nach dem Stromerzeugungsanlagen sowohl erneuerbare als auch nicht erneuerbare Energiequellen einsetzen, dem Recht des Betreibers der Erzeugungsanlage auf vorrangigen Netzzugang grundsätzlich nicht entgegenstehen.
In seiner Stellungnahme zu den weiteren Fragen bezüglich der Auslegung von Art 16 Abs 2 lit c der Erneuerbare-Energie-RL, merkt der EuGH an, dass ein vorrangiger Netzzugang bei Hybridanlagen jedoch nur für den aus erneuerbaren Energiequellen erzeugten Stromanteil zu gewähren ist.
Die jeweiligen Mitgliedsstaaten seien dabei für die Ausgestaltung der Anwendungsmodalitäten des vorrangigen Zugangs verantwortlich, indem sie transparente und nicht-diskriminierende Kriterien festlegen.
Des Weiteren weist der Gerichtshof darauf hin, dass eine Reihenfolge betreffend des Netzzuganges zu bestimmen ist, welche sich nach dem Umfang des jeweiligen Anteils erneuerbarer Energiequellen richtet, um die Zuverlässigkeit und Sicherheit des Stromnetzes gewährleisten zu können.
Folgerungen:
Es ist demnach nicht möglich einem Energieerzeuger einen bevorzugten Netzzugang von Netzbetreiberseite mit der Begründung zu versagen, dass die betroffene Stromerzeugungsanlage auch Strom aus nicht erneuerbaren Energiequellen produziert. In seinem Urteil nimmt der EuGH hierbei jedoch keinen Bezug auf das Existieren einer Mindestquote an erneuerbaren Energiequellen. Das Recht auf vorrangigen Netzzugang wird jedoch, durch die Anforderung die Sicherheit des nationalen Stromnetzes zu gewährleisten, beschränkt.