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David Suchanek

EuGH Porr — ein Booster für die Kreislaufwirtschaft

Wesentliche Aussagen des EuGH


Dem Ausgangsfall lag ein Feststellungsverfahren zur Frage zu Grunde, ob Aushubmaterial bei seiner Verwendung zur Bodenrekultivierung bzw. Verbesserung der landwirtschaftlichen Ertragsflächen Abfall ist bzw.

einer AlSAG-Beitragspflicht unterliegt.


Im konkreten Fall traten Landwirte bereits vor Umsetzung von Baumaßnahmen an die Porr Bau GmbH heran. Nachdem ein geeignetes

Bauvorhaben gefunden wurde, sagte Porr zu, das Material zu liefern und es zur Rekultivierung und Verbesserung von landwirtschaftlichen

Flächen einzusetzen. Die Behörde stufte die Aushubmaterialien als Abfall ein, da das Abfallende nicht eingetreten sei, insbesondere weil bestimmte Formalkriterien nach dem Bundes-Abfallwirtschaftsplan nicht eingehalten waren. Dagegen erhob Porr Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht

Steiermark, welches einen Vorlageantrag an den EuGH stellte.

In seiner rechtlichen Beurteilung prüfte der EuGH zunächst die Frage, ob die Aushubmaterialien aufgrund einer Entledigungsabsicht der Porr

überhaupt als Abfall angesehen werden konnten. Das Vorliegen einer Entledigungsabsicht wird durch den EuGH bezweifelt, da es eine Vereinbarung zwischen Porr und den Landwirten gab, nach der die Aushubmaterialien auf den landwirtschaftlichen Flächen aufgebracht

werden sollten.


In weiterer Folge prüfte der EuGH auch noch das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Nebenprodukt (gemäß Art. 5 Abs. 1 der

AbfallrahmenRL), die er dem Grunde nach bejahte (wobei er dem Landesverwaltungsgericht Kriterien für eine abschließende Prüfung vordefinierte):


• Die „Sicherheit der Weiterverwendung“ im Sinne des Art. 5 Abs. lit. a AbfallrahmenRL sei gegeben, wenn das Aushubmaterial (auch in quantitativer Hinsicht) tatsächlich nur zur Ausführung der genannten Verbesserungsmaßnahmen der landwirtschaftlichen Flächen verwendet werde. Auch eine Lagerung der Aushubmaterialien ändere nichts an der Sicherheit der Weiterverwendung, sofern die Lagerdauer nicht über das hinausgehe, was erforderlich ist, damit die Porr ihren vertraglichen Verpflichtungen nachkommt.


• Die Qualitätskontrolle der Aushubmaterialien sei ein Verfahren, welches die Voraussetzung erfüllt, dass man die Aushubmaterialien direkt ohne weitere Verarbeitung, die über die normalen industriellen Verfahren hinausgeht, verwenden könne, weshalb auch die zweite Voraussetzung des Art. 5 Abs. 1 AbfallrahmenRL erfüllt sei.


• Drittens sei der Anfall von Aushubmaterial einer der ersten Schritte im Verfahren der Bauausführung als wirtschaftlicher Tätigkeit, weshalb auch Art. 5 Abs. 1 lit. c AbfallrahmenRL („der Stoff oder Gegenstand wird als integraler Bestandteil eines Herstellungsprozesses erzeugt“) bejaht wurde.


• Sofern das Aushubmaterial alle einschlägigen Produkt-, Umwelt- und Gesundheitsschutzanforderungen für die vorgesehene Verwendung erfülle, sei auch Art. 5 Abs. 1 lit. d AbfallrahmenRL erfüllt.

Für den Fall, dass die Prüfung der oben genannten Kriterien zum Ergebnis komme, dass das Aushubmaterial dennoch Abfall darstelle, befasste sich der EuGH in einem zweiten Schritt mit dem — den eigentlichen Gegenstand des Vorlageantrags bildenden — Abfallende des Aushubmaterials.


Dabei waren zwei Kriterien für die Beurteilung des EuGH maßgebend:


• Das Verfahren der Qualitätskontrolle (Prüfung der Qualität und Vorhandensein von Schadstoffen und Verunreinigungen) sei ein

Verfahren, das unter den Begriff „Vorbereitung zur Wiederverwendung“ gemäß Art. 3 Nr. 16 der AbfallrahmenRL zu subsumieren

sei, sodass das Aushubmaterial ein Verwertungsverfahren im Sinne von Art. 6 Abs. 1 AbfallrahmenRL durchlaufen habe.


• Hinsichtlich des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 AbfallrahmenRL (Grenzwerte für Schadstoffe und mögliche nachteilige Umweltauswirkungen des Stoffes oder Gegenstands) führt der EuGH aus, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung dieses Kriteriums über einen Gestaltungsspielraum verfügen. Die gegenständlichen Formalkriterien wären jedoch aufgrund der Aktenlage für den Umweltschutz irrelevant. Die Verhinderung des Abfallendes aufgrund solcher Kriterien würde den mit der AbfallrahmenRL verfolgten Zielen zuwiderlaufen, insbesondere der Anwendung der Abfallhierarchie, der Verwendung von verwerteten Materialien zur Erhaltung natürlicher Rohstoffquellen und der Förderung der Schaffung einer Kreislaufwirtschaft.

Konsequenzen für die abfallrechtliche Praxis und Legistik

Nach der Erlassung eines EuGH-Urteils folgt naturgemäß die Diskussion der Auswirkungen auf die Abfallrechtspraxis und auch Legistik.


Als erster Input sind aus unserer Sicht folgende Punkte wesentlich:


• Wegschaffen von Material von einer Baustelle bedingt nicht jedenfalls Entledigungsabsicht: Die in Österreich gefestigte Judikaturlinie des VwGH, nach der mit dem Wegschaffen von Aushubmaterial von einer Baustelle gleichsam zwangsweise eine Entledigungsabsicht verbunden ist, wird durch die Entscheidung durchbrochen.

Im EuGH-Ausgangsfall wird dann keine Entledigungsabsicht angenommen, wenn es Vereinbarungen mit Dritten gibt, die das Material für einen sinnvollen Zweck verwenden können. In eine solche Richtung gingen bereits zwei Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichts Tirol (LVwG Tirol, 26.7 2016, LVwG-2015/37/2800-16; 29.8.2016, LVwG-2016/37/0438-11) und eine Rechtsauslegung des BMK vom 19.7.2013. Fälle, in denen schon vorab feststeht, dass die anfallenden Materialien von einer Baustelle für

einen sinnvollen Zweck verwendet werden können, können zur Verneinung der Entledigungsabsicht führen.


• Prüfung der Nebenprodukteeigenschaften zusätzlich zur Verneinung der

Entledigungsabsicht? Schwer nachzuvollziehen ist der Umstand, dass der EuGH nach Verneinen der Entledigungsabsicht auch noch die Kriterien für das Vorliegen eines Nebenprodukts prüfte. Das ist aus unserer Sicht aus der

Systematik der AbfallrahmenRL nicht ableitbar, da das Vorliegen der Nebenprodukteeigenschaften ja ein Beleg für das Nicht-Vorhanden-

sein der Entledigungsabsicht ist. Oder anders formuliert: Sind diese Voraussetzungen erfüllt, liegt keine Entledigungsabsicht und damit

kein Abfall vor. Wenn man aber zuvor schon die Entledigungsabsicht verneint, sollte sich eine Prüfung dieser Kriterien nach bisherigem

Verständnis erübrigen.

Im Übrigen hat der VwGH die Anwendung der Nebenprodukteeigenschaft bei Aushubmaterial verneint, was nun mehr als überholt zu betrachten ist (vgl. VwGH VwGH 16.3.2016, Ra 2016/05/0012).


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