Mit Urteil vom 23.11.2016 (Rs C-673/13) hat der EuGH grundlegende Aussagen über den Zugang zu Dokumenten und Umweltinformationen getroffen. Im Ausgangsrechtsstreit beantragte unter anderem eine Greenpeace-Stiftung aus den Niederlanden gestützt auf die Verordnung Nr. 1049/2001 und auf die Verordnung Nr. 1367/2006, Zugang zu mehreren Dokumenten, die die nach der Richtlinie 91/414 erteilte Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen von Glyphosat als Wirkstoff betrafen. Eine Reihe von Dokumenten wurde von der Kommission daraufhin herausgegeben, ein spezielles aber eben nicht. Dagegen wurde beim EuG geklagt, das Gericht gab der Klage statt.
Im “Hauptverfahren” vor dem EuGH haben sich dann noch weitere Streithelfer auf beiden Seiten angeschlossen, unter anderem amerikanische Interessenvertretungen, die Bundesrepublik Deutschland und das Königreich Schweden (insgesamt acht Streithelfer auf Seiten der Kommission und einer auf Seiten der Kläger).
Eine der wesentlichen Argumentationslinien der Kommission und ihrer Streithelfer, nämlich dass „Emissionen in die Umwelt“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Anwendung des Aarhus-Übereinkommens auf Emissionen aus bestimmten Industrieanlagen wie Fabriken und Kraftwerken begrenzt sein sollte, hatte vor dem Gerichtshof erwartungsgemäß keinen Bestand. Eine solche Begrenzung lässt sich auch nicht aus dem Übereinkommen von Aarhus selbst ableiten, das bei der Auslegung der Verordnung Nr. 1367/2006 zu berücksichtigen ist, da es gemäß ihrem Art. 1 Ziel dieser Verordnung ist, durch Festlegung von Vorschriften zur Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens auf die Organe und Einrichtungen der Union zur Umsetzung der Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen beizutragen. Nach der Aarhus-Konvention – so der Gerichtshof weiter – sind Informationen über Emissionen, die für den Schutz der Umwelt von Bedeutung sind, bekannt zu geben. Informationen über Emissionen aus anderen Quellen als Industrieanlagen, wie Emissionen aufgrund der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf Pflanzen oder Boden, sind aber für den Umweltschutz ebenso bedeutend wie Informationen über Emissionen aus industriellen Quellen.
Schließlich äußert sich der Gerichtshof auch zum Wortlauf der Bestimmung des Art. 2 Abs. 1 lit d sublit ii der Verordnung Nr. 1367/2006, die die Faktoren aufzählt, die unter den Ausdruck „Umweltinformationen“ fallen können: Zwar scheint diese auf den ersten Blick den Begriff „Emissionen“ von den Begriffen „Ableitungen“ und „Freisetzen“ in die Umwelt zu unterscheiden, allerdings ist eine Unterscheidung zwischen den Begriffen „Emissionen“, „Ableitungen“ und „Freisetzungen“ der Aarhus-Konvention fremd. Auch würde eine solche Unterscheidung keine Bedeutung für das mit der Verordnung Nr. 1367/2006 verfolgte Ziel der Verbreitung von Umweltinformationen und haben und wäre künstlich. Klare Worte!
Das Recht auf Zugang zu Dokumenten und die entsprechende Verordnung sind zudem – ebenfalls wenig überraschen – weit auszulegen: „Bei der Frage, ob die Wendung „Informationen[, die] Emissionen in die Umwelt betreffen“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 eng auszulegen ist, ist einerseits von einer Auslegung dieser Wendung auszugehen, bei der Art. 339 AEUV und Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 nicht ihrer substanziellen Bedeutung beraubt werden, soweit diese Artikel das Berufsgeheimnis und die geschäftlichen Interessen einer bestimmten natürlichen oder juristischen Person schützen. […] Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs soll nämlich die Verordnung Nr. 1049/2001, wie sich aus ihrem vierten Erwägungsgrund und Art. 1 ergibt, der Öffentlichkeit ein größtmögliches Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Organe gewähren […] So sind Ausnahmen vom Grundsatz des größtmöglichen Zugangs zu diesen Dokumenten, insbesondere die in Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen, nach ständiger Rechtsprechung nur eng auszulegen und anzuwenden, soweit sie durch Beschränkung dieses Zugangs von diesem Grundsatz abweichen […]. Die Erforderlichkeit einer solchen engen Auslegung wird im Übrigen durch den 15. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1367/2006 bestätigt. […]
Unter diesen Umständen hat das Gericht dadurch, dass es in den Rn. 49 und 53 des angefochtenen Urteils Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 und die Wendung „Informationen[, die] Emissionen in die Umwelt betreffen“ nicht eng ausgelegt hat, keinen Rechtsfehler begangen.“
Das Verfahren wurde zur Entscheidung an das EuG zurückverwiesen, weil es nach Ansicht der EuGH noch nicht entscheidungsreif war. Gemessen an den Ausführungen des Gerichtshofes ist aber wohl klar, in welche Richtung das EuG nach Ansicht des EuGH entscheiden sollte.