In Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d der Habitatrichtlinie (RL 92/43/EWG) wird jede Beschädigung oder Vernichtung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten streng geschützter Tierarten im Sinne des Anhangs IV der Richtlinie verboten. Im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens wandte sich das Verwaltungsgericht Wien mit der Frage an den Europäischen Gerichtshof, ob unter dem Begriff der Ruhestätte im Sinne der genannten Bestimmung auch mittlerweile verlassene, ehemalige Ruhestätten zu verstehen sind. Dem Ausgangsverfahren liegt ein Sachverhalt zu Grunde, bei welchem im Zuge von Vorarbeiten Baue von Feldhamstern zerstört worden waren. Der Beschuldigte führte zu seiner Verteidigung aus, dass die Baue zum Zeitpunkt der schädigenden Maßnahmen nicht benutzt worden seien.
Da der Wortlaut des Art 12 der Habitatrichtlinie keine Anhaltspunkte für die Definition des Begriffs der Ruhestätten bietet, war auf den Zusammenhang, in den sich die konkrete Bestimmung einfügt, abzustellen. Wie der EuGH in der Entscheidung Kommission/Deutschland (10.01.2006, C-98/03) klargestellt hat, kommt in dem Umstand, dass Art 12 Abs 1 Buchst d – im Gegensatz zu den sonstigen Verboten dieses Absatzes – nicht nur absichtliches Handeln für unrechtmäßig erklärt, der gesetzgeberische Wille eines verstärkten Schutzes von Ruhestätten zum Ausdruck. Zudem betrifft die hier einschlägige Bestimmung nicht nur den unmittelbaren Schutz der Individuen, sondern auch wichtige Teile ihres Lebensraums.
Auf Grundlage dieser Erwägungen gelangte der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass Ruhestätten im Sinne des Art 12 Abs 1 Buchst d der Habitatrichtlinie auch dann vorliegen, wenn diese nicht mehr von geschützten Tierarten beansprucht werden, sofern eine hinreichend hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese Art an die Ruhestätte zurückkehrt. Nähere Ausführungen zu der Frage, was unter dem äußerst unbestimmten Kriterium einer hinreichend hohen Wahrscheinlichkeit zu verstehen ist, können dem Urteil des EuGH nicht entnommen werden. Dieses bringt lediglich zum Ausdruck, dass die Prüfung der Rückkehrwahrscheinlichkeit den nationalen Gerichten obliegt.
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