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Von der Reise im Delorean – Dritte Piste Wien, VfGH E 875/2017


Vor wenigen Minuten wurde das Erkenntnis in Sachen Flughafen Dritte Piste Wien unter großem medialen Interesse verkündet. Zur Erinnerung: Das BVwG hatte den Genehmigungsantrag abgewiesen, weil die öffentlichen Interessen zur Erreichung von Klimaschutzzielen (Reduktion von Treibhausgasen) und Bodenverbrauch der Genehmigung des Vorhabens entgegen stünden. Diese Entscheidung wurde durch den VfGH unter Berufung auf den Gleichheitssatz (Willkür) nun aufgehoben und das Verfahren damit in den Stand vor der Entscheidung des BVwG versetzt. Über die Beschwerde ist daher neuerlich zu entscheiden.

Die Begründung, die im Rahmen der Verkündung in Eckpunkten dargestellt wurde, liefert jedenfalls weit über den Fall hinausgehende Ansätze für die Interpretation heranzuziehender öffentlicher Interessen. Der VfGH dazu im Einzelnen:

Eine im Gesetz angeordnete Interessenabwägung erfordert nach der Feststellung der maßgeblichen öffentlichen Interessen die Ermittlung der Kriterien für die Interessengewichtung. Diese müssen in der Rechtsordnung dem Grunde nach vorgezeichnet sein; sie ergeben sich aus den jeweils anwendbaren Materiengesetzen bzw. aus damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Staatszielbestimmungen. In jedem Fall hat die Ermittlung der Kriterien für die Gewichtung durch eine Interpretation positiven Rechts zu erfolgen.

Das Bundesverwaltungsgericht geht in seiner Entscheidung davon aus, dass die Kriterien zur Gewichtung der öffentlichen Interessen im LFG nicht näher determiniert seien. Könnten einem Materiengesetz keine Kriterien entnommen werden, so habe die Gewichtung der Interessen durch Orientierung an Wertbekundungen demokratisch legitimierter Organe oder aus dem Stufenbau der Rechtsordnung zu erfolgen. Solche Anhaltspunkte würden sich etwa aus Beschlüssen der Bundesregierung, Entschließungen des Nationalrates, Vorgaben des Unionsrechtes sowie bundes- und landesverfassungsrechtlicher Bestimmungen ergeben. Dazu zieht das Bundesverwaltungsgericht neben dem BVG Nachhaltigkeit auch Art. 37 GRC, Art. 4 Z 2 NÖ Landesverfassung 1979, einen Ministerratsbeschluss der österreichischen Bundesregierung vom 23. Oktober 2012 (“Die österreichische Strategie zur Anpassung an den Klimawandel” – Teil 2, Aktionsplan, Handlungsempfehlungen für die Umsetzungen), die vom BMVIT erarbeitete “Road Map Luftfahrt 2020″, die von der Bundesregierung im Jahr 2011 zur Kenntnis genommen wurde, sowie eine Entschließung des Nationalrates vom 12. November 2015 betreffend Österreichs Beitrag zu einem ambitionierten Ergebnis der Pariser Klimakonferenz vom Dezember 2015 heran. Nach Art. 4 Z 2 NÖ Landesverfassung 1979 kommt dem Umweltschutz und dem Klimaschutz besondere Bedeutung zu. Im Sinne der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung kann eine derartige landesverfassungsgesetzliche Staatszielbestimmung jedoch nur im selbständigen Wirkungsbereich des Landes Wirkung entfalten. Für die Auslegung des LFG kann Art. 4 Z 2 NÖ LV 1979 demzufolge nicht herangezogen werden. Umso weniger können nicht-normative Akte, denen das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls entscheidungsrelevante Bedeutung beigemessen hat.

Für die Bewertung der festgestellten Emissionen und in weiterer Folge auch bei seiner Interessenabwägung hat das Bundesverwaltungsgericht zudem auch Bezugsgrößen herangezogen, die nicht unmittelbar anwendbaren Rechtsquellen bzw. einfachgesetzlichen Vorschriften entnommen sind, die für andere Sektoren (als den Luftfahrtsektor) gelten bzw. CO2-Emissionen von Luftfahrzeugen ausdrücklich ausnehmen:

a) Kyoto-Protokoll, Übereinkommen von Paris Das Bundesverwaltungsgericht bezieht sich zunächst auf das Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen samt Anlagen, BGBl. III 89/2005, sowie das Übereinkommen von Paris, BGBl. III 197/2016. Beide Übereinkommen stehen aber (in Österreich) unter dem Vorbehalt, dass sie durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen sind; sie erzeugen daher nur eine völkerrechtliche Verpflichtung Österreichs und sind innerstaatlich nicht unmittelbar anwendbar. Dazu kommt, dass das Kyoto-Protokoll – das zudem nur eine rechtliche Verpflichtung bis zum Jahr 2012 schafft – die internationale Luftfahrt nicht erfasst. b) Effort-Sharing-Decision, Klimaschutzgesetz Die angefochtene Entscheidung stützt sich ferner auf das Klimaschutzgesetz, das zur Umsetzung der Entscheidung 406/2009/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anstrengungen der Mitgliedstaaten zur Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen (sog. Effort-Sharing-Decision) ergangen ist. Auf den Luftverkehr ist diese unionsrechtliche Entscheidung jedoch nicht anwendbar, der Luftverkehr ist daher auch vom Anwendungsbereich des Klimaschutzgesetzes ausgenommen. c) Handel mit Emissionszertifikaten Das Bundesverwaltungsgericht gibt schließlich auch das unionsrechtliche System der Treibhausgasemissionszertifikate wieder. Mit der Richtlinie 2008/101/EG wurde auch der Luftverkehr in dieses System einbezogen; die Verantwortung für die Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus dieser Richtlinie ergeben, trifft aber allein die Luftfahrzeugbetreiber, die – so die Richtlinie wörtlich – “am ehesten einen direkten Einfluss darauf haben, welche Flugzeugmuster auf welche Weise betrieben werden”. Flugplätze fallen dementsprechend nicht in den Geltungsbereich des Emissionszertifikategesetzes (Quelle: Verkündungstext des VfGH, abzurufen unter https://www.vfgh.gv.at/downloads/VfGH_E_875-2017_Verkuendungstext_Flughafen.pdf).

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