Das Standortentwicklungsgesetz ist wieder da!
Wer meint, wie einige Pressemeldungen indizieren, es handle sich dabei nur um eine leicht retouchierte Version des bekannten Werks, irrt. Aus meiner Sicht handelt es sich um ein „aliud“.
Durch das Segeln unter der Flagge des Ministerialentwurfs 67/ME hat sich der Gesetzgeber aber immerhin das Begutachtungsverfahren gespart und steht mit seinem Großsegler schon fast vor dem sicheren Hafen.
Was vom ursprünglichen Entwurf mehr oder weniger geblieben ist, ist das Prozedere, wie Vorhaben zu solchen mit Standortrelevanz erklärt werden. Der Rest ist - wenn man so will „überarbeitet“ oder besser gesagt - neu gefasst worden.
Eines vorweg: Vieles, was im neuen Entwurf steht, ist derzeit geltendes Recht oder entspricht der ständigen Rechtsprechung. Allerdings wurden manche Regeln im behördlichen Alltag kaum angewandt, sodass es nunmehr der Regierung notwendig erschien, diese für standortrelevante Verfahren nochmals vorzuschreiben. Die einzelnen, tw. sehr knappen Regelungen mit punktuellen Sonderbestimmungen, Querverweisen und Ausnahmen zum UVP-G, AVG und VwGVG können an dieser Stelle nur exemplarisch und nicht abschließend behandelt werden. Die auf den ersten Blick überschaubaren Sonderregeln sind auf den zweiten Blick mit vielen Details gespickt.
Die wesentlichen Eckpunkte sollen aber – ebenso wie in APA-OTS-Aussendungen bereits kundgetane Missverständnisse – im Folgenden dargestellt/aufgeklärt werden, alles natürlich rein subjektiv und nach erster Durchsicht:
Nach Ablauf der Entscheidungsfrist ist in allen Bewilligungsverfahren eine Entscheidung zu treffen. Dies ist der Sinn von Entscheidungsfristen.
Damit wird in anderen Worten lediglich wiedergegeben, was bereits jetzt in § 5 Abs 6 UVP-G enthalten ist.
Notwendig war die Einfügung im StEntG mE nur, um nicht Abs 5 dahingehend zu missinterpretieren, dass nach 12 Monaten nur mehr die Genehmigung infrage komme.
Achtung „Spoiler“: das wird eine kurze Liste.
Als Zwischenresümee lässt sich festhalten: Jene Bestimmungen, die bislang in der medialen Rezeption den größten Aufschrei verursacht haben, sind mE jene mit dem geringsten Impact auf die Verfahren. Die wirklichen Einschnitte kommen bei jenen Bestimmungen, die man zusammenfassend als Prozessförderungsregeln bezeichnen kann. Im Endeffekt geht es darum, das Verfahren straff zu strukturieren. Dies wird vor allem mit Regeln normiert, die ein geordnetes Vorbringen vorsehen, wie zB
Auch das ist keine Erfindung des StEntG, sondern im Endeffekt im Rahmen der letzten AVG-Novelle in das Verfahrensrecht aufgenommen worden, das im Übrigen in diesem Punkt für Verfahren nach dem StEntG (nicht aber nach UVP-G) gilt, weil § 16 Abs 3 UVP-G für nicht anwendbar erklärt wurde, der wiederum § 39 Abs 4 AVG für nicht anwendbar erklärt, der wiederum Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 41 Abs 2 AVG ist.
Klingt kompliziert, ist es auch.
Andersrum: § 41 Abs 2 AVG idF Nov 2018 lautet: „(2) Die Verhandlung ist so anzuberaumen, dass die Teilnehmer rechtzeitig und vorbereitet erscheinen können. Die Verständigung (Kundmachung) über die Anberaumung der Verhandlung hat die für Ladungen vorgeschriebenen Angaben einschließlich des Hinweises auf die gemäß § 42 eintretenden Folgen zu enthalten. Sie kann unter Hinweis auf die gemäß § 39 Abs. 4 eintretenden Folgen die Aufforderung an die Parteien enthalten, binnen einer angemessenen, vier Wochen möglichst nicht übersteigenden Frist alle ihnen bekannten Tatsachen und Beweismittel geltend zu machen.“
Sinn ist, Tatsachen und Beweismittel nur innerhalb einer festgelegten Frist zu ermöglichen und nicht jederzeit.
Durch § 16 Abs 3 UVP-G neu wird aber § 39 Abs 4 AVG für nicht anwendbar erklärt, weshalb § 41 Abs 2 dritter Satz AVG nicht angewendet werden kann, weil dafür ein Hinweis in der Ladung auf § 39 Abs 4 notwendig wäre.
Da § 16 Abs 3 UVP-G durch das StEntG für nicht anwendbar erklärt wird, sind dafür die § 39 Abs 4 und § 41 Abs 2 dritter Satz anwendbar (= doppelte Verneinung; außer man nimmt materielle Derogation an [dem gehe ich jetzt nicht näher nach]).
Diese Bestimmung fügt sich nahtlos in die Absicht des Gesetzgebers, Verfahren zu beschleunigen und ist aus meiner Sicht zu begrüßen.
Relevanter ist aber der zweite Satz, weil ein Verstoß gegen diese Prozessförderung zur „Kostenseparation“ führt:
„Soweit aufgrund eines von einem Verfahrensbeteiligten schuldhaft verspäteten Vorbringens zusätzliche Verfahrenskosten entstehen, sind diese in angemessenem Ausmaß abweichend von § 3b Abs. 2 erster Satz UVP-G 2000 von diesem Beteiligten zu tragen. § 3b Abs. 2 zweiter Satz UVP-G 2000 gilt sinngemäß.“
Zwar könnte dagegen argumentiert werden, dass Umweltverfahren nach EuGH-Rsp nicht unzumutbar teuer sein dürfen, durch das Wort „schuldhaft“ , wird mE dieser Rsp Genüge getan. Verfahrensbeteiligte sollen nicht generell mit Kosten belastet werden, auch nicht für verspätetes Vorbringen. Ist ihnen aber hinsichtlich der Verspätung ein Verschulden vorzuwerfen und ist deswegen zB eine Ergänzung eines Gutachtens notwendig, so führt dies zu deren Kostentragung.
Das ist neu. Betont wird damit die Einmaligkeit des Rechtsmittels. Es ist nicht mehr möglich, innerhalb der Beschwerdefrist eine rudimentäre Beschwerde einzubringen, die aber grundsätzlich alle Punkte enthält und diese dann durch ausführliche weitere Schriftsätze zu ergänzen. Davon unberührt bleibt das Parteiengehör. Wird zB vom Projektwerber im Beschwerdeverfahren ein Abänderungsantrag eingebracht, muss dieser ins Parteiengehör geschickt werden. Ebenso wie Gutachten etc, die aufgrund des Abänderungsantrags erst neu erstellt werden.
Zusammenfassung: Die zweite Version des Standortentwicklungsgesetzes ist legistisch deutlich besser ausgefallen als die erste. Wer meint, es handle sich nur um eine sprachliche Redaktion, im Endeffekt sei aber alles sinngemäß gleich geblieben, hat das neue Gesetz entweder nicht gelesen oder die Unterschiede nicht erkannt. Die aus meiner Sicht klaren unionsrechts- und verfassungswidrigen Bestimmungen des StEntG 1.0 wurden aus meiner Sicht beseitigt. Geblieben von der Grundidee der Genehmigungsfiktion ist lediglich ein kleines Fragment, nämlich die verschuldensunabhängige Säumnisbeschwerde. Vorhaben sollen nicht mehr als genehmigt gelten, aber zumindest soll sich der Projektwerber etwas leichter gegen eine Säumnis der Behörde wenden können.
Relativ strenge Regeln werden im Verfahrensregime vorgesehen, die man allgemein unter dem Stichwort „Prozessförderung“ zusammen fassen kann. Zahlreiche Anklänge an die ZPO sind zu erkennen, werden in den Materialien aber auch unumwunden zugegeben. Ob man dies gut findet oder nicht, obliegt der jeweiligen subjektiven Beurteilung, die Verfassungs- oder Unionsrechtssphäre wird aber nach meinen ersten Überlegungen nicht berührt.
Über die rechtlich fundierte Diskussion in den nächsten Tagen und Wochen freue ich mich.
Dabei fällt mir ein: die nächsten Möglichkeiten gibt es bei der 1. Tagung der Forschungsstelle Umweltrecht und bei der 4. Auflage der Reihe „Aktueller Diskurs im Umweltrecht“.