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Peter Sander

EuGH: Plädoyer für einen „engen“ Anlagenbegriff

Mit seiner Entscheidung vom 9.6.2016, C-158/15, äußert sich der EuGH erstmals zur Definition der Anlage im Sinnes der EmissionshandelsRL (Art. 3 lit. e RL 2003/87/EG). Diese Definition rechnet neben einem „Anlagenkern“ auch noch verbundene Tätigkeiten derselben Anlage zu. Damit diese verbundenen Tätigkeiten dem Anlagenkern zuzurechnen sind, verlangt die EmissionshandelsRL eine unmittelbare Verbindung sowie einen technischen Zusammenhang mit dem Anlagenkern und weiters eine gewisse Umweltrelevanz dieser verbundenen Anlagenteile. Diese werden nämlich nur dann dem Anlagenkern zugerechnet, wenn diese Anlagenteile Auswirkungen auf die Emissionen und die Umweltverschmutzung haben können.\ \ Im konkreten Ausgangssachverhalt hat sich der EuGH näher mit der Zurechnung von verbundenen Tätigkeiten auseinandergesetzt. Gleichsam als Vorfrage musste der Gerichtshof nämlich beurteilen, ob ein Lager für Kohle einem Kohlekraftwerk als verbundene Tätigkeit zuzurechnen ist. Dabei war das Kohlelager vom Kohlekraftwerk durch eine öffentliche Straße getrennt und 800 Meter vom Kohlekraftwerk entfernt. Der EuGH hat nun eine unmittelbare Verbindung bejaht, da das Kohlelager unentbehrlich für das Funktionieren des Kraftwerks sei. Weiters sei auch ein technischer Zusammenhang gegeben, welcher durch das Förderband zwischen dem Lager und dem Kraftwerk zum Ausdruck komme. Da bei der Lagerung der Kohle Treibhausgase entstehen, könne diese Tätigkeit auch Auswirkungen auf die Emissionen und die Umweltverschmutzung haben. Aufgrund des Vorliegens der drei Voraussetzungen, rechnete der EuGH das Kohlelager dem Kohlekraftwerk zu und qualifizierte daher das Kohlelager und das Kohlekraftwerk als eine (einheitliche) Anlage.\ \ Die gegenständliche Entscheidung ist für das europarechtlich geprägte Anlagenrecht von besonderer Bedeutung, da sich die der Entscheidung zugrunde liegende Anlagendefinition nicht nur in der EmissionshandelsRL (national im EZG), sondern auch in der IndustrieemissionsRL (2010/75/EU; national zB im AWG 2002 und der GewO 1994) beinahe wortgleich wiederfindet. Auch wenn sich der EuGH schon mit speziellen Anlagendefinitionen (zur Definition der Verbrennungs- und Mitverbrennungsanlage) auseinander gesetzt hat, fehlten bislang Ausführungen zum hier behandelten „allgemeinen“ Anlagenbegriff.\ \ Für die österreichische Verwaltungspraxis bedeutet das Urteil aus Luxemburg vor allem eine Bestätigung der bisherigen Vorgehensweise der „engen“ Anlagenabgrenzung (vgl. Bergthaler/Follner, IPPC-Anlagen in der GewO: Anlagenbegriff und verfahrensrechtliche Konsequenzen, in: ecolex, 2004, 750; Gerhold, IPPC-rechtliche Abgrenzungsfragen der Pharmaindustrie: Entwicklung-Herstellung-Veredelung, in: RdU-U&T 2006/8, 38). Das Kriterium der Unmittelbarkeit bei der Zurechnung von anderen Tätigkeiten (besser Anlagenteilen) zum eigentlichen Anlagenkern erfolgte nämlich als maßgebliches Kriterium für die Anlagenabgrenzung. Dabei wurde das Kriterium der Unmittelbarkeit – wie nun auch der EuGH bestätigt hat – mit der Frage der Unentbehrlichkeit gleichgesetzt. Sofern eine Tätigkeit zwar am Standort erfolgt und in einem technischen Zusammenhang mit der Kerntätigkeit steht, wurde diese regelmäßig nicht der Kerntätigkeit zugerechnet, wenn diese Tätigkeit am Standort entbehrlich war, also nicht zwangsweise dort erfolgen musste. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die „Kerntätigkeit“ in sich abgeschlossen ist und weitere Verfahrensschritte am Standort nur mehr fakultativ vorgenommen werden. Dieser Zugang erfuhr nun eine Bestätigung durch den EuGH.

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