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Peter Sander

Na endlich! Der VwGH kann zwischen Abgabentatbestand und Ausnahmen doch noch differenzieren

Knalleffekt im Bereich des AlSAG: Mit Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 27.03.2019, Ro 2019/13/0006, hat der VwGH seine 2013 begonnene und in der Literatur stark kritisierte Judikaturlinie zur konsenswidrigen Zwischenlagerung von Abfällen bzw. eine (nun nicht mehr) bestehende AlSAG-Pflicht geändert.

Der Reihe nach: Der VwGH hat mit seiner Entscheidung vom 24.01.2013 eine durchwegs richtungsweisende Entscheidung betreffend § 3 Abs 1 Z 1 lit c AlSAG getroffen. Unter anderem heißt es dort, dass es "für die Erfüllung der in […] Altlastenbeitragsfreiheit erforderlich [ist], dass alle erforderlichen Bewilligungen (Anzeigen, Nichtuntersagungen) für die in dieser Gesetzesbestimmung angeführten Geländeverfüllungen oder -anpassungen in dem für die Beurteilung der Voraussetzungen für eine Beitragsfreiheit relevanten Zeitpunkt vorgelegen sind. Eine in diesem relevanten Zeitpunkt einmal entstandene Abgabenschuld kann durch die nachträgliche Einholung einer fehlenden Bewilligung (Anzeige, Nichtuntersagung) nicht mehr rückgängig gemacht werden […]. Sowohl für die Erfüllung der Voraussetzungen nach § 3 Abs 1 Z 2 legcit (in der bis 31. Dezember 2005 geltenden Fassung) als auch jener nach § 3 Abs 1 Z 1 lit c legcit (in der ab 1. Jänner 2006 geltenden Fassung) ging der Gesetzgeber davon aus, dass eine Ausnahme von der Altlastenbeitragspflicht voraussetzt, dass alle erforderlichen Bewilligungen (Anzeigen gegenüber der oder Nichtuntersagungen durch die Behörde) für eine Verwendung oder Behandlung des Abfalls vorliegen müssen. Es ist nun kein sachlicher Grund dafür erkennbar, dass nach dem Willen des Gesetzgebers diese Voraussetzung des Vorliegens der erforderlichen Bewilligungen (Anzeigen oder Nichtuntersagungen) für eine Altlastenbeitragsfreiheit nicht auch in Bezug auf die übrigen Tatbestände des § 3 Abs 1 legcit erfüllt sein müsste. Dem Gesetzgeber des ALSAG 1989 kann nicht unterstellt werden, er habe eine Verwendung oder Behandlung von Abfällen […], die der Rechtsordnung widerspricht, privilegieren wollen, indem er sie von der Beitragspflicht ausgenommen habe. Ferner spricht auch weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck des § 3 legcit für ein gegenteiliges Normenverständnis." Insbesondere letzter Ausspruch ist dabei durchwegs kritisch zu hinterfragen. Der Gesetzgeber des AlSAG war sich nämlich durchwegs bewusst, dass für bestimmte Beitragsbefreiungen Bewilligungen erforderlich sein sollen, was er beispielsweise durch die Beifügung des Wortes "zulässigerweise" zu erkennen gegeben hat (vgl zB § 3 Abs 1a Z 5 AlSAG). Für manche Beitragstatbestände oder -befreiungen ist genau ein solcher Zusatz nicht vorgesehen, unter anderem auch der "Zwischenlagerungstatbestand" des § 3 Abs 1 Z 1 lit c AlSAG, für den die Auslegung des Gerichtshofs wohl auch anwendbar wäre.

Im Erkenntnis vom 29.7.2015, Ra 2015/07/0041, hält der Gerichtshof in den Entscheidungsgründen noch an dieser Judikaturlinie fest: „Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu ausgeführt, es könne dem Gesetzgeber des AlSAG nicht unterstellt werden, er habe eine Verwendung oder Behandlung von Abfällen – wozu auch deren Lagerung zu zählen ist –, die der Rechtsordnung widerspricht, privilegieren wollen, indem er sie von der Beitragspflicht ausgenommen habe. Ferner spricht auch weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck des § 3 AlSAG für ein gegenteiliges Normenverständnis (vgl. dazu erneut das Erkenntnis vom 24. Jänner 2013, Zl. 2010/07/0218). Diese Grundsätze treffen aber auch auf jene Fälle zu, in denen – wie hier – zwar eine abfallwirtschaftsrechtliche Bewilligung erteilt wurde, vom Bewilligungsinhaber jedoch entsprechende Bescheidauflagen nicht eingehalten wurden, was dazu führte, dass eine Abfallüberlagerung erfolgte. Auch in diesem Fall liegt eine der Rechtsordnung widersprechende Lagerung vor, der das Privileg des § 3 Abs. 1 Z 1 lit b AlSAG nicht zukommt. Für eine unterschiedliche Gewichtung eines Auflagenverstoßes einerseits und einer fehlenden Bewilligung andererseits besteht – entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht – im vorliegenden Zusammenhang keine Grundlage.

Einige weitere Erkenntnisse bestätigten diese Judikaturlinie, die im Endeffekt bedeutet, dass bei Nichtvorliegen aller erforderlichen Bewilligungen, Anzeigen oder Nicht-Untersagungen jedenfalls eine AlSAG-Pflicht für die Zwischenlagerung von Abfällen gegeben war. Auch bei Vorliegen aller erforderlichen Bewilligungen, Anzeigen oder Nicht-Untersagungen war bislang von einem Vorliegen einer AlSAG-Beitragspflicht auszugehen, wenn Auflagen oder Aufträge dieser Bewilligungen, Anzeigen oder Nicht-Untersagungen nicht eingehalten wurden. Oder anders gewendet: Trotz dem eindeutigen Wortlaut des AlSAG-Tatbestandes, der eben erst mit dem 366. oder dem 1093. Tag (Schaltjahre nicht berücksichtigt) überhaupt greifen würde, hat der VwGH faktisch durch weidlich unzulässiges Vermengen von Tatbestand und Ausnahme im Interpretationsweg 2013 einen gleichsam neuen Abgabentatbestand geschaffen. Die Kritik in den einschlägigen Kreisen fiel recht laut aus!

Im aktuellen Erkenntnis vom 27.03.2019 klingt das nun ganz anders: „§ 3 Abs. 1 Z 1 ALSAG knüpft – auch in der Verwendung der Begriffe ,,Ablagern" und ,,Lagern" – an dieses Regelungsgefüge an und verfolgt in lit. b, wie im Schrifttum schon angemerkt wurde, den Zweck, die u.a. für das Einbringen von Abfällen in einen Deponiekörper vorgesehene Beitragspflicht auf Fälle auszudehnen, in denen die Dauer einer Zwischenlagerung das Maß überschreitet, bis zu dem sie ohne Einhaltung der Bestimmungen für Deponien zulässig ist. […] Eine Vorschrift, die kürzere Zwischenlagerungen dem Altlastenbeitrag unterwirft, existiert nicht. […] Das Gesetz enthält [keinen] Tatbestand für vorübergehendes Lagern[. …] Ordnet der Gesetzgeber eine Beitragspflicht an und nimmt er bestimmte Tätigkeiten davon aus, so kann sich die (in § 3 Abs. 1a ALSAG nun ausdrücklich geregelte) Frage stellen, ob damit nur Tätigkeiten gemeint sind, für die alle nötigen Bewilligungen vorliegen. § 3 Abs. 1 Z 1 lit. b ALSAG wirft aber nicht die Frage auf, ob der Gesetzgeber unter bestimmten Voraussetzungen auch kürzere Zwischenlagerungen erfassen wollte und es nur planwidrig unterließ, einen diesbezüglichen Tatbestand für die Selbstberechnungsabgabe (§ 9 Abs. 2 ALSAG) ins Gesetz aufzunehmen.

Damit wird nun der zahlreichen Kritik Rechnung getragen: Nur die länger als ein- bzw. dreijährige Lagerung von Abfällen löst überhaupt den Abgabentatbestand aus, allfällige Konsenswidrigkeiten bleiben daher verwaltungsstraf- und -polizeirechtlich relevant, führen aber nicht zu einer AlSAG-Abgabenpflicht.

Im Ergebnis ist das natürlich im Sinne der Rechtssicherheit aber auch im Sinne der gängigen Interpretationsregeln uneingeschränkt zu begrüßen. Endlich besinnt sich das Höchstgericht darauf, dass im Interpretationsweg nicht einfach neue, zusätzliche Abgabentatbestände geschaffen werden können. Endlich herrscht Klarheit darüber, dass es zwischen Tatbestand und Ausnahme im Anwendungsbereich des AlSAG einen Unterschied gibt. Endlich ist erkannt worden, dass es kein Abgabenfindungsrecht durch Rechtsprechung gibt! Und das ist dann doch auch wieder irgendwie beruhigend – wenn auch mit Verspätung …

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