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Aarhus im Naturschutz: Drei Länder laufen los

Spätestens im Dezember 2017 mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in der Sache Protect (EuGH 20.12.2017, C-664/15) war klar, dass auch die Bundesländer nicht an der Umsetzung der Aarhus Konvention herum kommen werden. Immerhin betrifft unionsrechtlich determiniertes Umweltrecht die Kompetenz der Länder mehrfach, allen voran natürlich im Naturschutz, aber auch etwa bei Jagd, Fischerei und Nationalparkverwaltung. Viel wurde zwischen Ländern und Bund, aber auch unter den Ländern diskutiert, eine einheitliche Umsetzung ist jedoch sowohl bei Bundesgesetzen, als auch in den Bundesländern in weiter Ferne.

Steiermark

Den Anfang machte die Steiermark mit dem Entwurf eines Gesetzes, mit dem das Gesetz über Einrichtungen zum Schutz der Umwelt geändert wird (Link). Der im November präsentierte und zur Begutachtung freigegebene Entwurf sieht für nach § 19 Abs 7 UVP-G anerkannte Umweltorganisationen Parteistellung für Naturverträglichkeitsprüfungen vor. Darüber hinaus soll es künftig eine Beschwerdebefugnis in Artenschutzverfahren geben, die sich auch auf Fischerei- und Jagdverfahren beziehen können. Die Rückwirkung, also wie lange Bescheide zurück angefochten werden können, die vor Inkrafttreten des Gesetzes erlassen wurden, wurde mit einem Jahr angesetzt, sofern die Bescheide nicht bereits vom LVwG überprüft wurden. Gegen Unterlassungen, Pläne und Programme können Umweltschutzorganisationen nach der Novelle nicht vorgehen. Für Beschwerden in NVP Verfahren ist eine Präklusionsregelung bei verschuldet verspätetem Vorbringen vorgesehen.

Oberösterreich

Als zweites Bundesland präsentierte Oberösterreich eine Novelle des Natur- und Landschaftsschutzgesetzes zur Umsetzung des Zugangs zu Gerichten (Link). Beachtenswert ist dieser Entwurf gleich mehrfach, da er als erstes Gesetz ein eigenes Anerkennungsverfahren für Umweltschutzorganisationen vorsieht. Diese müssen nach dem neuen § 39a den Natur- und Artenschutz „als gemeinnützigen Zweck […] ausdrücklich, ausschließlich und unmittelbar“ fördern, drei Jahre bestehen und den Tätigkeitsbereich in Oberösterreich „ausüben“. Unklar ist hierbei u.a., wie diese Ausübung aussehen muss, also ob eine Anerkennung nach § 19 Abs 7 UVP-G ausreicht, oder darüber hinausgehen muss. Die Notwendigkeit einer solchen eigenen Anerkennung ist auch nicht auf den ersten Blick ersichtlich, verzichten doch die Steiermark, Niederösterreich, das WRG, IG-L und AWG und auch der Wiener Umsetzungsentwurf aus 2016 auf eine eigene Definition mit Verfahren. Abgesehen davon sieht das Gesetz eine bloße Stellungnahmefrist und keine Parteistellung vor, sowie Rechtsmittel, beschränkt auf Argumente aus der FFH- und Vogelschutzrichtlinie. Eine Form der Präklusion ist, trotz fehlender Parteistellung, vorgesehen und verschuldensunabhängig. Pläne, Programme, Verordnungen und Unterlassungen sind von der Umsetzung nicht erfasst. Die Rückwirkung erstreckt sich auf ein Jahr ab Kundmachung. Ein weiterer Knackpunkt: Obwohl die Landesumweltanwaltschaften nicht der Aarhus Konvention entspringen, sondern bereits wesentlich länger existieren und ihnen andere Funktionen zukommen als Umweltschutzorganisationen, wird ihnen die Parteistellung in jenen Verfahren gestrichen, in denen Umweltschutzorganisationen ein Stellungnahmerecht erhalten. Ein Eingriff gegen den mehrere Landesumweltanwaltschaften gemeinsam protestieren (Link).

Niederösterreich

Die dritte Umsetzung stammt aus Niederösterreich und wurde im Jänner 2019 online veröffentlicht, jedoch ohne Begutachtungsverfahren für die Öffentlichkeit (Link). Novelliert werden in Niederösterreich das Naturschutz-, sowie das Jagdgesetz. Wie in Oberösterreich wird hier Umweltschutzorganisationen keine Parteistellung, aber eine eingeschränkte Beteiligtenstellung mit Rechtsmittelbefugnis eingeräumt, sofern Unionsumweltrecht betroffen ist. Für Rechtsmittel wird eine aufschiebende Wirkung komplett ausgeschlossen und darf auch nicht beantragt werden. Auch sieht der Entwurf eine Form der Präklusion vor, indem neue Vorbringen begründet werden müssen und bei vorwerfbarer Verspätung unzulässig sind. Pläne, Programme, Verordnungen und Unterlassungen sind von der Umsetzung nicht erfasst. Die Rückwirkung beträgt auch hier ein Jahr.

Übersicht

Fazit

Bereits der Bund wählte für die Aarhus-Umsetzung keine einheitliche Lösung, wie bereits Martin Niederhuber bei den Umweltrechtstagen 2018 pointiert festhielt: „Wenn das Ziel war, möglichst verschiedene Regelungen zu treffen, darf dies als gelungen bezeichnet werden.“ Auch die Länder zeigen stark variierende Ansätze zur Umsetzung. Während die Steiermark den rechtsschutzfreundlichsten Weg wählte, zeigt sich Oberösterreich als höchst restriktiv. Niederösterreich fällt besonders durch den kompletten Ausschluss des aufschiebenden Rechtsschutzes auf. Ja sogar in den Fristenregelungen sind sich die Gesetze uneins. Allen Entwürfen ist lediglich die Rückwirkung von einem Jahr und der komplette Verzicht auf die Umsetzung der völkerrechtlichen Aspekte gemein. Mehrfach zeigt sich, dass „pacta sunt servanda“ im Bezug auf die Verpflichtungen aus der Aarhus Konventionen nicht ernst genommen wird, nur wo der EuGH mit Strafen oder unmittelbarer Wirkung von Unionsrecht droht, wird legistisch umgesetzt. Selbst dort zeigen sich jedoch Lücken: Unterlassungen, Pläne, Programme und Verordnungen werden, trotz VwGH-Rechtsprechung (vgl VwGH 19.02. 2018, Ra 2015/07/0074-6), nicht in den Rechtsschutz aufgenommen und werden wohl über Analogie zum IG-L und der genannten VwGH Entscheidung zu lösen sein. Während das Absehen von der Parteistellung im reinen Rechtsschutz, also Art 9 Abs 3 der Aarhus Konvention, verständlich ist, überrascht es doch, dass selbst bei Naturverträglichkeitsprüfungen, die wie UVPs unter Art 6 Abs 1 lit b sowie Art 9 Abs 2 der Konvention fallen, nur in der Steiermark Parteistellung eingeräumt wird. Gerade angesichts der VwGH Entscheidung zur Parteistellung von Bürgerinitiativen im vereinfachten UVP-Verfahren (VwGH 27.09. 2018, Ro 2015/06/0008-7) ein nicht nachzuvollziehender Schritt, der wohl einer Kontrolle des Höchstgerichts nicht standhalten wird. Verfassungsrechtlich bedenklich sind die Abweichungen im aufschiebenden Rechtsschutz jedenfalls, die erläuternden Bemerkungen rechtfertigen im Angesicht von Art 11 Abs 2 B-VG die genannten Regelungen nicht.

Die Umsetzungen der Länder hinterlassen also einen schalen Nachgeschmack, zu zahlreich sind die Lücken und scheinbaren Verstöße gegen Völker-, Unions- und Verfassungsrecht, sowie gegen die Rsp des VwGH. Mit den verschiedenen Regelungen des Bundes tritt außerdem genau das ein, was Viele befürchtet haben: das scheinbar grundlose Auseinanderfallen verfahrensrechtlicher Regelungen, was in der Rechtsanwendung zu Problemen führen wird. Ein einheitliche Regelung, den von der Aarhus Konvention geforderten weiten Zugang zu Gerichten und großzügige Beteiligungsregelungen sind nicht gegeben.

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