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EuGH erlaubt Anfechtung von Nitrat-Aktionsplänen

Erhöhte Nitratwerte im Grundwasser sind in Österreich kein unbekanntes Thema, die Quelle der Einträge stammt meist von der Düngung landwirtschaftlich genutzter Flächen. Die Folge von erhöhter Nitratkonzentration: bei Verzehr erhöht sich das Darmkrebsrisiko deutlich. Doch darf die betroffene Öffentlichkeit, deren Brunnen dadurch nicht mehr für Trinkwasser nutzbar sind, dagegen vorgehen? Der EuGH schloss sich in dieser Frage mit seinem Urteil vom 3.10.2019 (C-197/18) den Schlussanträgen von Juliane Kokott an und beantwortet sie mit: Ja, sie darf.

Antrag auf Überarbeitung durch die Öffentlichkeit

Die Entscheidung des EuGH geht zurück auf eine Vorlagefrage aus Österreich. Eine betroffene Einzelperson, eine niederösterreichische Gemeinde und ein öffentliches Wasserversorgungsunternehmen, beantragten bei der BMNT die Änderung der Aktionsprogramm Nitrat VO aus 2012, da diese nicht ausreiche, die Verhinderung der Überschreitung der gesetzlichen Grenzwerte zu garantieren. Dieser Antrag wurde als unzulässig zurückgewiesen, es folgte eine Beschwerde an das VwG Wien. Dieses legte die Rechtsfrage der Antragslegitimation durch Beschluss dem EuGH vor und wollte damit wissen, ob „Art. 288 AEUV sowie Art. 5 Abs. 4 und 5 und Anhang I Punkt A Nr. 2 der Richtlinie 91/676 dahin auszulegen sind, dass natürliche und juristische Personen wie die Beschwerdeführer des Ausgangsverfahrens, die mit der Sicherstellung der Wasserversorgung betraut sind oder über eine Brunnennutzungsmöglichkeit verfügen, von den zuständigen nationalen Behörden verlangen können müssen, dass diese ein bestehendes Aktionsprogramm ändern oder zusätzliche Maßnahmen oder verstärkte Aktionen gemäß Art. 5 Abs. 5 dieser Richtlinie erlassen, um an jeder Entnahmestelle einen Nitrathöchstgehalt von 50 mg/l zu erreichen.“ Oder mit anderen Worten: Hat die betroffene Öffentlichkeit ein Antragsrecht auf Änderung eines Nitrat-Aktionsprogrammes?

Mit Verweis auf seine generell rechtsschutzfreundliche Rsp (Vgl C-664/15 Protect, C-723/17 Craeymest, ua) und die Ausführungen der Generalanwältin stellte der Gerichtshof dazu fest, dass „natürliche und juristische Personen […] von den zuständigen nationalen Behörden verlangen können müssen, dass diese ein bestehendes Aktionsprogramm ändern oder zusätzliche Maßnahmen oder verstärkte Aktionen […] erlassen, solange der Nitratgehalt im Grundwasser ohne solche Maßnahmen an einer oder mehreren Messstellen […] 50 mg/l überschreitet oder zu überschreiten droht.“ Vereinfacht gesagt: Der betroffenen Öffentlichkeit ist bei Gefährdung der Gesundheit Zugang zu Gerichten einzuräumen.

Der EuGH hält die Stange des Rechtsschutzes hoch

Für das geneigte Publikum ist die Entscheidung des EuGH im gegenständlichen Fall freilich keine sehr große Überraschung, sind doch die Parallelen zum Luftreinhalterecht auffällig. Dort wurde erst vor Kurzem in Umsetzung der EuGH Rechtsprechung vom österreichischen VwGH ein solches Antragsrecht auf Überarbeitung von Luftreinhalteprogrammen durch die betroffene Öffentlichkeit bejaht (vgl den Blogbeitrag zum Fall Salzburg Luft) und auch der EuGH bekannte sich kürzlich zum erweiterten Rechtsschutz der Öffentlichkeit in einem Fall aus Brüssel hinsichtlich u.a. der Messstellen (Vgl den Blogbeitrag „EuGH stärkt Luftschutz durch die betroffene Öffentlichkeit weiter“). Im gegenständlichen Fall sind die Mechanismen der Nitrat-RL ähnlich gelagert: Grenzwerte, Messstellen, Pflicht zur Erstellung von Aktionsprogrammen bei Überschreitungen kennen wir in beiden Bereichen. Nur konsequent scheint daher auch die Übernahme des Rechtsschutzes, der sich aus der unionsrechtlichen Wirkung des Art 9 Abs 3 Aarhus Konvention in Verbindung mit Art 47 Grundrechtecharta für die betroffene Öffentlichkeit ergibt. Ähnlich wie beim IG-L ist daher auch hier mittelfristig eine Anpassung der österreichischen Gesetzeslage an den Zugang zu Gerichten zu erwarten.

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