Gemeinschaftliche Stromerzeugung hat das Potenzial, den Markt auf den Kopf zu stellen. Doch der Erfolg von Energiegemeinschaften steht und fällt mit den Eintrittshürden
Die gemeinsame Erzeugung von Ökostrom war bisher nur sehr eingeschränkt möglich. Lediglich Photovoltaikanlagen auf Mehrparteienhäusern profitierten bislang von rechtlichen Erleichterungen. Andere Formen der kooperativen Stromproduktion sahen sich hingegen mit einem (zu) engen Korsett energieregulatorischer Vorgaben konfrontiert. Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzespaket (EAG-Paket) hat sich das geändert: Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft (EEG) und Bürgerenergiegemeinschaft bieten künftig die Möglichkeit, selbst produzierten Strom in der Nachbarschaft und darüber hinaus zu teilen.
Partizipation und Gewinnerzielung
Wenn von Energiegemeinschaften die Rede ist, wird oft deren intrinsischer Charakter hervorgehoben. Nicht im Erzielen von Gewinnen soll und darf der Hauptzweck liegen, sondern im Schaffen von ökologischen, wirtschaftlichen und sozialgemeinschaftlichen Vorteilen für die Mitglieder. In der Tat fußt das Konzept der Energiegemeinschaft auf dem Gedanken der Akzeptanz durch Partizipation. Den Teilnehmenden wird es ermöglicht, gemeinsam Energie in einer oder mehreren Erzeugungsanlagen zu produzieren und diesen über das öffentliche Netz auszutauschen. In Anbetracht eines die längste Zeit von Versorgermonopolen geprägten Energiemarktes eine fast revolutionäre Entwicklung.
Der kooperative Zweck der Energiegemeinschaften schließt es aber nicht aus, dass die Mitglieder finanzielle Vorteile aus der Beteiligung an einer Energiegemeinschaft generieren können. So lässt sich überschüssiger Strom am Markt verwerten – und das auch unter Inanspruchnahme von Beihilfen. So eröffnet das EAG-Paket den Energiegemeinschaften neben der Beziehung von Investitionszuschüssen die (alternative) Möglichkeit, für den Überschussstrom Marktprämien zu erhalten. Immerhin für bis zur Hälfte der mittels der Gemeinschaftsanlage(n) produzierten Elektrizität kann eine solche Betriebsförderung bezogen werden. Detailfragen wie die Errechnung des anzulegenden Werts bei mehreren Gemeinschaftsanlagen mit unterschiedlichen Technologien und damit Marktprämiensystemen gilt es noch zu klären.
Lokale Nähe wird begünstigt
Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften setzen eine räumliche Nahebeziehung der Mitglieder voraus. Entscheidend ist die Netzebene: Die Verbrauchsanlagen und die gemeinschaftlichen Erzeugungsanlagen müssen über das Mittel- oder Niederspannungsnetz verbunden sein. Im Gegenzug fällt das Netzbenutzungsentgelt für den ausgetauschten Strom nur hinsichtlich der verwendeten Netzkategorie an. In Verbindung mit der Befreiung vom Erneuerbaren-Förderbeitrag und – soweit es sich um Sonnenstrom handelt – von der Elektrizitätsabgabe dürfte dies den innerhalb der Gemeinschaft geteilten Strom deutlich günstiger machen als jenen, der wie gewöhnlich aus dem Netz bezogen wird.
Kein Erfordernis räumlicher Nähe, dafür aber auch keine vergleichbaren Begünstigungen, besteht für die Errichtung einer Bürgerenergiegemeinschaft, die anders als die Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft auf die Energieform Strom beschränkt ist. Unter ihrem Dach können sich Personen von Vorarlberg bis ins Burgenland zusammenfinden und gemeinsam etwa ein Kleinwasserkraftwerk in Kärnten betreiben.
Exklusiver Teilnehmerkreis
Die Energiegemeinschaften müssen zwingend als juristische Person mit zumindest zwei Mitgliedern gegründet werden. Als Rechtsform dürften vor allem Vereine und Genossenschaften in Betracht kommen. Soll die Energiegemeinschaft weniger offen gestaltet werden, bieten sich GmbH oder AG an. Der Kreis der Teilnahmeberechtigten einer Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaft ist strikt begrenzt: Nur Privatpersonen, Gemeinden, staatliche Einrichtungen, kleine und mittlere Unternehmen sowie im Elektrizitätsbereich auch unabhängige Stromerzeuger können sich zusammenschließen.
Die Bürgerenergiegemeinschaft ist im Hinblick auf die Möglichkeit einer Mitgliedschaft zwar weniger restriktiv, darf dafür aber nicht von mittleren und großen Unternehmen gesellschaftsrechtlich kontrolliert werden. Eine besondere Herausforderung wird die Gestaltung des vertraglichen Unterbaus der Energiegemeinschaften sein. So gilt es nicht nur die innergemeinschaftliche Willensbildung und die Frage zu regeln, wer die Gemeinschaft nach außen hin vertritt, sondern auch die wechselseitigen Rechte und Pflichten der Teilnehmenden festzulegen. Essenzielle Punkte wie der Anteil am erzeugten Strom, die Kostentragung für die Anlagen und Haftungsfragen bergen ein gewisses Konfliktpotenzial, sodass hier eine solide wie klare Vereinbarung zu treffen ist.
"Enabler" gesucht
Ob sich die Energiegemeinschaften durchsetzen werden, hängt maßgeblich von der Höhe der Eintrittshürden ab. Hier bedarf es niederschwelliger Angebote – was auch eine Chance für den privaten Dienstleistungssektor darstellt. Anders als noch im Begutachtungsentwurf vorgesehen, muss die Erzeugungsanlage nicht zwingend im Eigentum der Energiegemeinschaft oder eines ihrer Mitglieder stehen, sondern kann auch von einem Dritten bereitgestellt werden. Übernimmt der Anlagenvermieter gleich auch noch die Instandhaltung und Betriebsführung gegen ein erfolgsabhängiges Entgelt, kann die Energiegemeinschaft risikominimiert Grünstrom beziehen. Digitale Lösungen können den bürokratischen Aufwand reduzieren und – insbesondere in Zusammenspiel mit Stromspeichern – eine optimale Nutzung des Gemeinschaftsstroms gewährleisten.
Voraussetzung für die Beteiligung an einer Energiegemeinschaft ist, dass die Teilnehmenden mit einem Smart Meter ausgestattet sind. Und hier spießt es sich noch: Die Verteilernetzbetreiber hinken bei der Installation intelligenter Messgeräte den gesteckten Zielen deutlich hinterher. Vor diesem Hintergrund darf man gespannt sein, ob sich das im EAG-Paket vorgesehene Recht auf einen Smart Meter binnen zweier Monate umsetzen lässt. Den Netzbetreibern kommt überhaupt eine Schlüsselrolle bei der Realisierung von Energiegemeinschaften zu: Sie nehmen die Messungen vor und dienen als Datenschnittstelle zwischen Energiegemeinschaft, Mitgliedern und Lieferanten. Das noch in der Regierungsvorlage vorgesehene Recht der Gemeinschaften, selbst ein Verteilernetz zu betreiben, findet sich in der Endfassung des EAG-Pakets hingegen nicht mehr.
Fazit
Ob die Teilnahme an einer Energiegemeinschaft in Zukunft so selbstverständlich sein wird wie der Abschluss eines Energieliefervertrags, hängt noch von verschiedenen Faktoren ab. Das Potenzial ist – dank der mit dem EAG-Paket geschaffenen rechtlichen Rahmenbedingungen – jedenfalls vorhanden. Es wird nun an der Privatwirtschaft liegen, innovative Lösungsansätze und Dienstleistungen anzubieten. Auch die staatlichen Stellen sind gefordert, die Energiegemeinschaften durch regulierungsrechtliche Erleichterungen und Serviceangeboten zu unterstützen. In zwei Jahren wird man mehr wissen: Bis Dezember 2023 muss die Klimaschutzministerin den Stand der Entwicklung und die bestehenden Hürden und Hindernisse evaluieren und erforderlichenfalls Verbesserungsvorschläge unterbreiten.
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