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Zwangsservitut als besonderer Projektvorteil oder allgemeiner Planungsgewinn?

OGH 23.2.2011, 1 Ob 230/10 w hat vor kurzem zur Frage Stellung bezogen, ob Vorteile, die Enteigneten durch ein Enteignungsprojekt entstehen, in einem Enteignungsverfahren zu berücksichtigen sind. In der Entscheidung 1 Ob 230/10 w des OGH vom 23.2.2011 geht es um die Frage der „Vorteilsausgleichung“, also der Berücksichtigung von vermögenswerten Vorteilen, die dem Enteigneten durch das Enteignungsprojekt zukommen. Aus den Entscheidungsgründen: Auf einer Liegenschaft wurde aufgrund einer dem Bebauungsplan entsprechenden Baubewilligung von der Antragstellerin eine Wohnanlage errichtet. Der Bebauungsplan sah vor, dass ein 8 m breiter Streifen im nördlichen Grundstücksbereich von sämtlichen baulichen Maßnahmen freizuhalten war. Da zwischen den Parteien kein Einvernehmen über die Nutzung dieses Grünstreifens für das Hochwasserschutzprojekt der Antragsgegnerin erzielt werden konnte, räumte ihr die zuständige Behörde auf ihren Antrag im wasserrechtlichen Verfahren bescheidmäßig eine Zwangsservitut ein, nämlich „die für die Errichtung, Erhaltung und den Betrieb der Bachumlegung notwendige Dienstbarkeit“. Die Antragstellerin begehrte gemäß § 117 Abs 4 WRG eine Enteignungsentschädigung, da sie beim Erwerb der Liegenschaft nicht mit der Umlegung des Bachbetts rechnen musste und durch die Verlegung hätten jene Anrainer, die nun nicht mehr gefährdet seien, eine beträchtliche Wertsteigerung ihrer Liegenschaft verzeichnet. Das Erstgericht ließ bei der Festsetzung der Entschädigung Werterhöhungen, die infolge des geplanten Enteignungsprojekts entstehen, außer Betracht. Es sei vielmehr auf die fiktive Nutzungsmöglichkeit abzustellen, die sich für die enteignete Fläche am Wertermittlungsstichtag, also dem Zeitpunkt der Enteignung, ergeben hätte. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den Revisionsrekurs für nicht zulässig. Der OGH erachtete hingegen den Revisonsrekurs der Antragsgegnerin als zulässig und hielt vorab fest, dass er sich in der, auch in diesem Verfahren einschlägigen, Frage der „Vorteilsausgleichung“ dem Ansatz von Rummel anschloss (2 Ob 282/05 t). Im damals entschiedenen Fall ging es um die Begründung einer Servitut zu Zwecken des Betriebs einer U-Bahn. Bei der dafür zu leistenden Entschädigung hat gemäß § 7 Abs 2 EisbEG unter anderem eine Werterhöhung außer Betracht zu bleiben, die der Gegenstand der Enteignung infolge der Anlage der Eisenbahn erfährt. Die allgemeinen Grundsätze des Enteignungsrechts sind auch auf Enteignungen im wasserrechtlichen Verfahren anzuwenden, wofür gemäß § 60 Abs 2 WRG eine angemessene Entschädigung zu leisten ist. Dem Zweck der Enteignungsentschädigung folgend, soll diese den Vermögensnachteil des Enteigneten bloß ausgleichen, ihn aber nicht bereichern. Insofern stellt sich die Frage, wie in dem Fall zu verfahren ist, in dem bei Teilenteignung das Restgrundstück durch das Enteignungsprojekt eine Werterhöhung erfährt. Rummel, der sich im zitierten Verfahren mit dieser Frage auseinandersetzte, ist der Auffassung, dass der damals einschlägige § 7 Abs 2 EisbEG nur die Projektvorteile im engsten Sinn des Wortes betreffe. Die „allgemeinen Planungsgewinne“ aus der Erschließung eines gesamten Gebiets sollten hingegen dem Enteigneten so wie allen seinen Nachbarn verbleiben, soweit sie sich zum Stichtag für die Entschädigungsbemessung schon im Wert des Grundstücks niedergeschlagen hätten. Wertsteigerungen des Grundstücks nur durch den Bau, also durch das Projekt selbst, bleiben außer Betracht. Das erfordere eine Unterscheidung zwischen der Kausalität der Projektplanung einerseits und jener der Projektausführung andererseits. Das Rekursgericht hat sich aber im nunmehr gegenständlichen Verfahren nicht mit der maßgeblichen Frage, welcher Personenkreis vom konkreten Wasserschutzprojekt erhebliche Vorteile hat bzw. haben wird, auseinandergesetzt, obwohl die Antragsgegnerin vorbrachte, dass das Projekt selbst eine „ganze Gegend“ aufwerte. Rummel hat am Beispiel eines Straßenbauprojekts die Auffassung vertreten, steige durch das Projekt das gesamte Umland im Wert, solle der daraus resultierende Vorteil allen Liegenschaftseigentümern zugute kommen und damit auch die Entschädigung eines (teil-)enteigneten Liegenschaftseigentümers nicht mindern. Profitiere hingegen vom Projekt bzw. von der vorherigen Planung nur ein schmales Gebiet rechts und links der künftigen Straße und ändere sich die Verwendungsmöglichkeit des übrigen Umlands nicht, spreche alles dafür, dass die Preissteigerung im Projektgebiet allein auf das Projekt im engeren Sinn und nicht auf die allgemeinen Planungsgewinne zurückgehe. Auch dem Willen des historischen Gesetzgebers folgend seien nur Werterhöhungen aufgrund von „Projektvorteilen“ im engsten Sinn des Wortes bei der Ermittlung der Enteignungsentschädigung nicht zu berücksichtigen. Im fortgesetzten Verfahren werden ergänzende Tatsachenfeststellungen dahingehend zu treffen sein, ob die Antragstellerin zu jenen Liegenschaftseigentümern gehört, die eine (im Liegenschaftswert zum Ausdruck kommende) besondere Verbesserung bei Hochwasserereignissen erfahren wird. Sollten nur wenige Liegenschaftseigentümer in unverhältnismäßig höherem Maße vom Projekt profitieren als die Mehrzahl der übrigen von Hochwasserereignissen geringer betroffenen Nachbarn, dürften bei der Enteignungsentschädigungsbemessung der wirschaftlich erfassbare besondere Projektvorteil und die damit verbundene Erhöhung des Liegenschaftswertes nicht unberücksichtigt bleiben. Sollte sich eine allenfalls festzustellende Werterhöhung als bloß „allgemeiner Planungsgewinn“ darstellen, wäre der Antragstellerin die durch die Begründung der Zwangsservitut, einschließlich der vorwirkenden Nutzungsbeschränkung durch die Freihalteverpflichtung, entstehende Wertminderung der Liegenschaft ungeschmälert zu vergüten. Entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes wäre es aber unerheblich, dass die Antragstellerin die Liegenschaft nach Erlassung des Bebauungsplans gekauft und dabei gegebenenfalls den durch den Planungsgewinn höheren Preis ohnehin bezahlt, somit den Vorteil, der ihr angerechnet werden soll, gar nicht lukriert habe. Denn spätestens bei der Erlassung des Bebauungsplanes war nicht nur die Verpflichtung der seinerzeitigen Liegenschaftseigentümer zur Freihaltung des 8 m breiten Grünstreifens, sondern auch der dahinterstehende, im Erläuterungsbericht genannte Zweck, nämlich die „Ausformung eines neuen Bachs“ innerhalb dieses Streifens, bekannt. Eine anschließende, allfällige Veränderung des Verkehrswertes kann eine „Vorwirkung“ der Enteignung darstellen und auf diese ist im Wege einer „Vorteilsausgleichung“ Bedacht zu nehmen.

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