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Ist Aushubmaterial Abfall? – Gedanken zur AWG-Novelle 2010

Im April 2010 wurde eine Novelle zum AWG 2002 vorgestellt und zur Begutachtung (bis zum 01.06.2010) freigegeben. Bis zum Ende der Begutachtungsfrist sind nicht weniger als 43 Stellungnahmen eingelangt, von denen sich einige auch mit der Behandlung von Aushubmaterial auseinandersetzen. Dies vor allem deshalb, weil der Novellenentwurf vorsieht, eine für die Praxis durchwegs bedeutsame Ausnahme der Abfallrahmenrichtlinie nicht umzusetzen:\ \ Die Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (AbfallrahmenRL 2008/98/EG), die von den Mitgliedstaaten bis 12.12.2010 umzusetzen ist, sieht unter anderem eine Ausnahme vom unionsrechtlichen Abfallbegriff für nicht kontaminierte Böden und andere natürlich vorkommende Materialien, die im Zuge von Bauarbeiten ausgehoben wurden, vor, sofern sicher ist, dass diese Materialien in ihrem natürlichen Zustand an dem Ort, an dem sie ausgehoben wurden, für Bauzwecke verwendet werden (Art. 2 Abs. 1 lit c). Von dieser Ausnahme wäre zB auch Tunnelausbruchsmaterial umfasst, was angesichts von rund 200 Kilometer Tunnel, die sich in Österreich momentan im Bau oder in Planung befinden, durchwegs eine Erleichterung für die Baubranche darstellen würde. Einzig, der österreichische Gesetzgeber will diese Ausnahme offensichtlich nicht umsetzen.\ \ Der Entwurf für die AWG-Novelle 2010 offenbart nämlich, dass diese Ausnahmebestimmung offenbar nicht in das AWG 2002 übernommen werden soll. Im Gegensatz zur BRD, wo zur Zeit ebenfalls ein Gesetz zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts debattiert wird und dessen Arbeitsentwurf die Richtlinie diesbezüglich wörtlich übernimmt, ist in Österreich keine Ausnahme vom Geltungsbereich des AWG 2002 geplant.\ \ Wenngleich in der Literatur mitunter festgestellt wird, dass ein „weiterer“ innerstaatlicher Abfallbegriff gemeinschaftsrechtlich kein Hindernis darstelle (so Kneihs, Abfallwirtschaftsrecht in Holoubek/Potacs (Hrsg), Öffentliches Wirtschaftsrecht, Band I, 1324), darf nicht übersehen werden, dass eine Nichtberücksichtigung von unionsrechtlich vorgegebenen Ausnahmen jedenfalls vor dem Hintergrund eines einheitlichen Binnenmarktes bedenklich erscheint. Auch wenn sich der EuGH zu der Frage, ob es einem Mitgliedstaat untersagt sei, einen weiteren innerstaatlichen Abfallbegriff zu haben als den unionsrechtlich vorgegebenen – soweit ersichtlich – noch nicht geäußert hat (sehr wohl aber ist der umgekehrte Fall untersagt und auch vom EuGH judiziert), scheint zumindest die Rechtsprechung des VwGH in Österreich darauf hinzudeuten, dass es einem Mitgliedstaat nicht erlaubt ist, seiner Rechtsordnung einen anderen als den unionsrechtlich vorgegebenen Abfallbegriff zugrunde zu legen: Bei dem unionsrechtlich definierten Abfallbegriff handelt es sich „um einen gemeinsamen, die Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten bindenden Begriff“, weshalb der österreichische Abfallbegriff richtlinienkonform auszulegen sei (VwGH 25.2.2009, 2008/07/0182). Somit dürfte also der Gesetzgeber nicht einfach eine Ausnahme nicht umsetzen, sondern müsste – da es sich um Begriffsbestimmungen iwS handelt – den gesamten Katalog der Ausnahmen der Richtlinie übernehmen.\ \ Nun könnte man sich aber auch noch fragen, ob es sich bei dieser Nichtübernahme einer Ausnahmebestimmung um eine verstärkte Schutzmaßnahme gemäß Art 193 AEUV (ex Art 176 EG) zugunsten der Umwelt handeln kann. Aber auch solche sind nicht uneingeschränkt zulässig, sondern – kurz zusammengefasst – immer nur dann, wenn sie in dieselbe Richtung wie die Unionsregelung zielen, diese in systematisch vergleichbarer Weise weiterführen und dazu beitragen, den Zielen und Prinzipien der Union näherzukommen (Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg), EUV/EGV, 3. Aufl 2007, Art 176, Rn 8). Ob man angesichts der so zentralen Bedeutung der Begriffsbestimmungen und der Definition des Anwendungsbreiches für das System des europäischen Abfallrechts und sein Funktionieren noch von einer Schutzmaßnahme gemäß Art 193 AEUV sprechen kann darf meines Erachtens zurecht bezweifelt werden. Vielmehr sieht es bei objektiver Betrachtung so aus, als wollte der österreichische Gesetzgeber just diese für die Baubranche so wichtige Ausnahme für nicht kontaminierte Böden und andere natürlich vorkommende Materialien aus anderen als rechtlich zulässigen Gründen nicht in die österreichische Rechtsordnung übernehmen wollen.

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