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Neue Änderungen im UVP-G: Umweltorganisationen müssen draußen bleiben

Im Umweltausschuss am 4. Oktober stand die UVP-Novelle (275 d.B.) auf der Tagesordnung und erlebte dort noch einmal wesentliche Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Ministerialentwurf des BMNT vom Juni. Auf Antrag und mit den Stimmen der beiden Regierungsparteien soll das UVP-G dahingehend abgeändert werden, dass anerkannte Umweltorganisationen für ihr Bestehen zusätzliche Auflagen erfüllen müssen. Dies tritt noch neben die bereits verkündeten Verschärfungen der Einschränkung neuer Vorbringen und der Pflicht zur 3-jährigen Überprüfung der Anerkennungskriterien durch das BMNT. Der erste Entwurf sah hier noch eine fünfjährige Frist vor. Konkret soll § 19 Abs 6, bzw. Abs 8 UVP-G wie folgt angepasst werden:

§ 19 Abs 6 wird der Satz angefügt: „Der Verein muss aus mindestens hundert Mitgliedern bestehen, ein Verband muss mindestens fünf Mitgliedsvereine umfassen.

§ 19 Abs 8 wird nach dem ersten Satz ergänzt: „Dem Antrag ist eine Liste der Mitglieder des Vereins mit Name und Anschrift der Mitglieder anzufügen. Bei einem Verband ist die Liste der Mitgliedsvereine anzufügen. Die Mitgliedsvereine eines Verbandes müssen ebenfalls die Kriterien des Abs 6 Z 1 bis 3 erfüllen.

Der Grund für die Regelungen ist laut eigenen Aussagen wie schon beim geplanten Standortentwicklungsgesetz die Verfahrensbeschleunigung. In der Erläuterung für den Antrag wird noch vor der Begründung auf die Strafdrohung des gerichtlichen Strafrechts für Fälschung eines Beweismittels nach § 293 StGB hingewiesen. Als positives Vorbild für die Regelung wird auf das Umweltrechtsgesetz Schwedens verwiesen.

Derzeit gibt es in Österreich 57 anerkannte Umweltorganisationen, davon ist etwa die Hälfte österreichweit anerkannt, die andere Hälfte ist regional beschränkt und darf ohnehin nicht überall teilnehmen. Eine erste Abschätzung der Auswirkungen der Änderungen würde eine massive Reduktion der Zahl der anerkannten Umweltorganisationen bedeuten.

Völkerrechtlich ist die geplante Regelung bereits belegt durch eine Entscheidung des Aarhus Convention Compliance Committee (ACCC) ein rechtlicher Verstoß. In Fall ACCC/C/2013/81 wurde zwar festgehalten, dass eine Beschränkung auf die Mitgliederzahl von 100 möglich ist, aber nur unter der Voraussetzung, dass es auch andere Maßnahmen zur Legitimation gibt, wenn diese Mitgliederzahl nicht erreicht wird. Eine solche Regelung sieht Österreich nicht vor und ist somit in klarem Verstoß zur Aarhus Konvention.

Ob bewusst oder unbewusst wird darüber hinaus beim „Beispiel Umweltmusterland Schweden“ ein wesentlicher Aspekt übersehen: nämlich dass dieses einschränkende Kriterium in Schweden für Fälle des Art 9 Abs 3 der Aarhus Konvention gilt, nicht jedoch für Beteiligungsfragen wie der UVP nach Art 6 Abs 1 und Art 9 Abs 2. Anders gesagt: bei bloßem Rechtsschutz gegen umweltrechtliche Handlungen/Unterlassungen ist ein strengerer Zugang möglich als bei Beteiligungsfragen wie in der UVP. Es wird also nicht nur die Regelung von Schweden unvollständig übernommen, sondern vor allem auch für Verfahren, in denen sie dort nicht gelten.

Europarechtlich wäre zu erwarten, dass die Wirkung der Aarhus Konvention auf die europäischen Rechtsakte wie die UVP-Richtlinie eindeutig ist. Dieser Umweg und Abwarten ist jedoch nicht nötig, hat doch bereits der EuGH in der Rs C-263/08 Djurgården vor 9 Jahren (!) festgestellt, „dass eine strenge Mitgliedergrenze unzulässig ist und nicht dazu führen darf, dass sie den Zielen der UVP Richtlinie, insbesondere dem Ziel, die gerichtliche Kontrolle der unter die Richtlinie fallenden Vorgänge unschwer zu ermöglichen, zuwiderläuft.“ Der Gerichtshof betont in diesem Urteil insb auch die Bedeutung von kleineren Vereinigungen auf lokaler Ebene für die UVP sowie die rechtliche Vorgabe „einen weiten Zugang zu Gerichten“ für Umweltschutzorganisationen zu gewährleisten.

Und schließlich zeigt sich auch verfassungsrechtlich, dass die Regelung nicht haltbar ist. Datenschutzrechtlich (als Grundrecht und Europarecht!) ist die Offenlegung der Mitglieder ein klarer Verstoß. Auch die grundrechtlich garantierte Vereinsfreiheit dürfte unzulässig beschnitten sein. Und schließlich ist der Entwurf als unsachlich jedenfalls ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot: es ist nicht ersichtlich, warum die Mitgliederzahl einen Einfluss auf die inhaltliche Qualität der Beteiligung haben sollte. Auch die sich aus der Regelung ergebende Übervorteilung von Stiftungen gegenüber Vereinen ist sachlich nicht zu rechtfertigen, brauchen Stiftungen wohl keine Mitglieder nachzuweisen.

Was von dem Vorstoß bleibt ist eine erneute Verschärfung der Rechtsunsicherheit für Projektwerbende und Umweltorganisationen. Und jede Person, die in den vergangenen Jahren das Wort „Aarhus“ gehört hat, weiß um die Folgen von rechtswidriger Beschneidung von Parteistellungsrechten. Damit kann wohl niemandem gedient sein.

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