Die Recycling-Baustoff Verordnung, BGBl II 181/2015, löste überraschend kurz nach ihrem Inkrafttreten bereits eine Reformdebatte aus. Grund dafür waren offensichtlich „Vollzugsprobleme“ (vgl. Vorblatt zur Begutachtung), die nun mit der Novelle BGBl II 290/2016 korrigiert werden sollen. Abgesehen von diesem Reperaturbedarf ist die Novelle an der Zielsetzungen der Förderung der Kreislaufwirtschaft und Materialeffizienz (§ 1), dem Schutzprinzip (Schutz von Boden, Wasser, Pflanzen, insbesondere aber des Menschen) sowie dem Vorsorgeprinzip (also der vorsorglichen Vermeidung etwaiger Umweltbelastungen) des § 23 Abs. 1 iVm § 1 AWG 2002 zu messen. HGW100 Sah die Stammfassung der Verordnung noch ein Einsatzverbot von Recycling-Baustoffen unterhalb der Kote des höchsten Grundwasserstandes vor (für Schlacken galt sogar der HGW100 + 1,0 m), ist nun nur noch ein Einsatz „im und unmittelbar über dem Grundwasser“ verboten (§§ 13, 27). Selbst das ist für Material der Qualitätsklassen U-B und U-E zulässig, sofern eine wasserrechtliche Bewilligung vorliegt. Recycling-Baustoffe der Qualitätsklasse U-A werden von den Einsatzverboten des § 13 Z 1 generell ausgenommen. Für die Praxis werden durch diese „Vereinfachung“ diverse Fragen aufgeworfen: Muss das Material gesichert über dem Grundwasser liegen oder genügt es, dass das Grundwasser lediglich zum Zeitpunkt des konkreten Einbaus nicht tangiert wird? Wie ist das zu kontrollieren und zu dokumentieren? Reichen diese Grundlagen aus, um eine etwaige AlSAG-Pflicht auszuschließen? Schutz- und Schongebiete Schon in der Stammfassung der Verordnung war ein Einbau von Recycling-Baustoffen in Schutzgebieten und in ausgewiesenen Kernzonen von Schongebieten bzw. im engeren Schongebiet (ausgenommen jeweils Schongebiete zum Schutz von Thermalwasservorkommen) unzulässig (§§ 13, 17). Wenn keine Kernzone bzw. kein engeres Schongebiet ausgewiesen war, durften Recycling-Baustoffe der Qualitätsklassen U-B und U-E im gesamten Schongebiet nicht eingesetzt werden, außer es lag dafür eine wasserrechtliche Bewilligung vor. Dieser Schutz von Schongebieten ohne Kernzone bzw. ohne Festlegung eines engeren Schongebiets entfällt nun ersatzlos. 750 t-Schwelle Die bisherige Verordnung sah eine 100 t De Minimis-Schwelle für die Schad- und Störstofferkundung (§ 4), keinerlei Mengenschwellen aber für den verwertungsorientierten Rückbau (§ 5), die Trennpflicht (§ 6) und die Qualitätssicherung (§ 10) vor. Mit der nunmehrigen Verordnung wird eine 750 t De Minimis-Schwelle für all diese Bereiche eingeführt und gleichzeitig ein Sonderregime für Linienbauwerke und Verkehrsflächen festgelegt. 750 t-Ausnahme vor Ort Der neue § 10a nimmt mineralische Abfälle aus einem Abbruch, bei dem insgesamt nicht mehr als 750 t Abbruchabfälle anfallen, weitgehend von den Verpflichtungen der Verordnung aus:
Die Qualitätsanforderungen (§ 9 iVm Anhang 2) entfallen.
Die Aufzeichnungs- und Meldepflichten gemäß § 12 entfallen.
Einsatzbereiche und Verwendungsverbote gemäß § 13 entfallen.
Die Qualitätssicherung gemäß § 10 entfällt, sofern mit einem „alternativen Qualitätssicherungssystem“ sichergestellt ist, dass die Abbruchabfälle „weitgehend frei von Schad- und Störstoffen“ sind.
Abgesehen von der Frage nach der sachlichen Rechtfertigung dieser Ausnahmebestimmung wird in der Praxis nicht einfach zu belegen sein, dass durch ein alternatives Qualitätssicherungssystem die weitgehende Schad- und Störstofffreiheit sichergestellt ist. Gerade im Hinblick auf etwaige AlSAG-Pflichten wird ein gewisser Dokumentationsaufwand bestehen bleiben; unabhängig davon werden AlSAG-Pflichten auch nur dann auszuschließen sein, wenn der Einbau des Materials vor Ort zulässig (also unter Vorliegen aller dafür erforderlichen Genehmigungen) erfolgt. Qualitätsklassen Der für die einzelnen Qualitätsklassen maßgebliche Anhang 2 wurde im Wege einer umfassenden Streichung bzw. Anhebung von Grenzwerten überarbeitet. Die dafür maßgeblichen fachlichen Grundlagen sind nicht ersichtlich. Einsatzbereiche Schlacke Die Novelle sieht – über den Begutachtungsentwurf hinausgehend – eine massive Erweiterung der Einsatzbereiche für Schlacke vor. Während frische Schlacke aus der Produktion wie schon in der Stammfassung der Verordnung gebunden in Bundes- und Landesstraßen eingesetzt werden darf, kann Schlacke-Altasphalt nun gebunden auf „allen öffentlichen Verkehrsflächen“ (und nicht wie bisher lediglich in Bundes- und Landesstraßen und in Gemeindestraßen auf derselben Baustelle) eingesetzt werden. Auch die Einsatzbereiche für Schlacke-Fräsasphalt werden ausgeweitet; die Beschränkung auf dieselbe Baustelle entfällt. Ergänzend dazu wird das Einbauverbot im HGW100 + 1,0 m gestrichen. Flankiert wird all dies durch die Novelle der Deponieverordnung, BGBl II 291/2016, welche LD- und EO-Schlacke künftig auch auf Baurestmassendeponien zulässt. Gleiches gilt für Schlacke-Altasphalt und schlackehaltiges technisches Schüttmaterial. Mit der in Begutachtung befindlichen AlSAG-Novelle soll schließlich auch noch der bisherige Befreiungstatbestand für LD- und EO-Schlacke im Monokompartiment um eine Befreiung für den „Straßen- oder Ingenieurbau“, welche an keinen konkreten Einsatzzweck gebunden ist, erweitert werden. Zusammengefasst werden also die Einsatzmöglichkeiten von Schlacke massiv erweitert und etwaige Entsorgungskosten herabgesetzt; gleichzeitig sollen etwaige AlSAG-Risiken möglichst minimiert werden. All dies ändert aber nichts daran, dass eine AlSAG-Befreiung auch künftig nur dann möglich sein wird, wenn der Einsatz im technisch notwendigen Ausmaß und gleichzeitig zulässigerweise (also bei Vorliegen aller dafür erforderlichen Genehmigungen) erfolgt. Ob die Novelle nun ihren Zielsetzungen einer Förderung der Kreislaufwirtschaft sowie der gleichzeitigen Gewährleistung des Vorsorge- und des Schutzprinzips gerecht wird, werden möglicherweise erst die nächsten Generationen beantworten können. Die Fachwelt ist sich dazu jedenfalls bereits jetzt uneinig.