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Referenzgebiet für die Beurteilung der Eingriffserheblichkeit in ein Natura 2000-Gebiet

Mit Erkenntnis vom 23.6.2009, GZ 2007/06/0257, hat der VwGH im Zuge eines Enteignungsverfahrens unter anderem zu dem  für die Beurteilung eines Eingriffs in ein Natura 2000-Gebiet heranzuziehenden örtlichen Referenzgebietes Stellung genommen.\ Im Ausgangsverfahren wurde von den Amtsachverständigen festgehalten, dass die Beeinträchtigung durch die Errichtung eines Teilstücks der Kremser Schnellstraße (S 33) am Rande eines Natura 2000-Gebietes deshalb nicht mit erheblichen Auswirkungen verbunden bzw. als „vernachlässigbar“ und „gering“ einzustufen ist, weil das Vorhaben eben am Rand des Schutzgebiets gelegen ist und die betroffenen Arten und Lebensräume im Zentralraum des Gebietes einen wesentlich besseren Erhaltungszustand aufweisen. Trotz der Beeinträchtigung wird der Schwellenwert der Maßgeblichkeit des Eingriffs in das Gesamtgebiet für kein Schutzgut überschritten. Maßgeblich ist eben nicht nur das Teilgebiet, in dem vorhabensgemäß der Eingriff vorgenommen wird, sondern das gesamte ausgewiesene Schutzgebiet, also das „Gebiet als solches“, wie es im Gesetz genannt wird. Dadurch, dass die Maßgeblichkeitsschwelle nicht überschritten wurde, musste auch die von der Beschwerdeführerin als fehlend monierte Interessensabwägung nach § 10 Abs. 6 NÖ NSchG nicht durchgeführt werden. Diese vom Sachverständigen gestützte Ansicht der Erstbehörde wurde vom Verwaltungsgerichtshof nunmehr bestätigt. Ganz offensichtlich geht also auch der Gerichtshof davon aus, dass sich die Beurteilung eines Eingriffs in ein Natura 2000-Gebiet auf das gesamte Schutzgebiet und nicht bloß auf den vom geplanten Vorhaben betroffenen Teil beziehen muss.\ Das gegenständliche Judikat ist aber auch aus einem weiteren Grund erwähnenswert: Während der VwGH bereits des öfteren Gellermann und dessen Arbeiten zum deutschen Naturschutzrecht zur Untermauerung seiner Erkenntnisse herangezogen hat (und dies auch hier tut), zitiert er – abgesehen von einem Erkenntnis aus dem Jahre 2004 – erstmalig in einem entscheidenden Punkt zur Alternativenprüfung die deutsche Autorin Britta Erbguth. Nach deren vom Gerichtshof als zutreffend bestätigten Ansicht liegt eine „echte“ (und damit auch zu prüfende) Alternative immer nur dann vor, wenn sie eine im Wesentlichen vergleichbare Verwirklichung der mit dem Projekt angestrebten Ziele gewährleistet. Es bleibt also abzuwarten, ob sich diese auch meines Erachtens zutreffende Ansicht in der Folgejudikatur verfestigt.

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