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Verpflichtende SUP bei Verwaltung von Natura 2000-Gebieten

Die FFH-RL nimmt mit der Verwaltung von Natura 2000-Gebieten unmittelbar in Verbindung stehende Maßnahmen von der Pflicht zur Durchführung einer Naturverträglichkeitsprüfung (NVP) aus. Der Frage, ob Pläne und Programme, die diese Qualifikation erfüllen, einer SUP zu unterziehen sein können, widmet sich GA Kokott in den gemeinsamen Schlussanträgen zu den Rs C-43/18 und C‑321/18, die zum einen die Ausweisung eines besonderen Schutzgebiets, zum anderen die Festlegung von Erhaltungszielen für das Natura 2000-Netz einer ganzen Region betreffen.

Eine auf Art 3 Abs 2 lit b SUP-RL gestützte SUP scheidet von vornherein aus, da dieser auf die Erforderlichkeit einer NVP gem Art 6 oder 7 FFH-RL abstellt. Eine allfällige Prüfungspflicht könnte sich jedoch auf Art 3 Abs 2 lit a (und Abs 3) oder Art 3 Abs 4 SUP-RL gründen. Erstere Bestimmung sieht eine SUP für in bestimmten Bereichen (etwa Abfallwirtschaft, Raumordnung, Bodennutzung) ausgearbeitete Pläne und Programme vor, durch die der Rahmen für künftige Genehmigungen von in Anh I und II der UVP-RL angeführten Projekten gesetzt wird; letztere dehnt die Verpflichtung auf von Abs 2 nicht erfasste Pläne und Programme aus, durch die Vorgaben für sonstige (nicht in der UVP-RL genannte) Projektgenehmigungen festgelegt werden, sofern sie voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. Einen Ausschluss von Maßnahmen der Natura 2000-Gebietsverwaltung lässt keine der Bestimmungen erkennen.

Dass nun Maßnahmen, die keiner Pflicht zur NVP unterliegen, einer SUP zu unterziehen sein sollen, könnte den Verdacht eines Wertungswiderspruchs zwischen FFH-RL und SUP-RL nahelegen. Mit Blick auf die unterschiedlichen Funktionen beider Prüfungsregime führt GA Kokott jedoch schlüssig aus, weshalb ein solcher nicht vorliegt: Während die NVP nach Art 6 Abs 3 Satz 1 FFH-RL klären solle, ob ein Plan oder Projekt nach Abs 3 Satz 2 oder Abs 4 leg cit genehmigt werden könne, sollen mit der SUP va Umweltauswirkungen bei der Annahme von Plänen und Programmen berücksichtigt werden. Natura-2000-Gebietsverwaltungsmaßnahmen könnten ebenso nachteilige Folgen für die Umwelt haben, bestehe doch die Möglichkeit von Zielkonflikten oder einer unzureichenden Ausgestaltung der Maßnahmen. Das abstrakte Ziel, den Gebietsschutz nach der FFH-RL zu realisieren, erzwinge für sich genommen nicht den Schluss, dass derlei Rechtsakte keine nachteiligen Umweltauswirkungen zeitigen könnten. Darüber hinaus lasse sich aus dem Umstand unterbliebener Regelungen in der FFH-RL zu Umweltprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung iZm der Gebietsverwaltung nicht ableiten, dass der Unionsgesetzgeber diese bei später erlassenen allgemeinen Regeln ebenso ausschließen habe wollen. Vielmehr könnten eine SUP, eine UVP oder eine auf Art 6 Abs 1 lit b AarhK gestützte Öffentlichkeitsbeteiligung und Prüfung der Umweltauswirkungen die Gebietsverwaltungsregeln der FFH-RL sinnvoll ergänzen.

Im Falle der Ausweisung eines besonderen Schutzgebiets könne die in Art 3 Abs 2 lit a bzw Abs 4 SUP‑RL statuierte Voraussetzung, mit dem jeweiligen Plan oder Programm den Rahmen für künftige Projektgenehmigungen zu setzen, auf zweierlei Art erfüllt sein: einerseits durch die Gebietsfestlegung samt bestimmter Erhaltungsziele selbst, andererseits durch spezifische, einen solchen Rahmen enthaltende und mit der Ausweisung verbundene Schutzregelungen. Die Ausweisung eines besonderen Schutzgebiets bedürfe sohin einer SUP, „wenn sie mit Änderungen des Schutzumfangs des betreffenden Schutzgebiets verbunden ist, insbesondere Änderungen der Erhaltungsziele oder der geschützten Flächen, welche die Anwendung von Art. 6 Abs. 3 und 4 [FFH-RL] oder weiter reichender innerstaatlicher Schutzbestimmungen berühren, falls diese Änderungen erhebliche Umweltauswirkungen haben können, oder wenn sie spezielle Schutzregelungen festlegt, die neben Art. 6 Abs 3 und 4 [FFH-RL] anzuwenden sind und einen Rahmen für die Genehmigung von Projekten setzen und voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben.“ Werde durch die Ausweisung hingegen bloß der schon durch die Schutzgebietsfestlegung gesetzte Rahmen bestätigt, sei keine SUP durchzuführen.

Die Statuierung von Erhaltungszielen für das Natura 2000-Netz einer ganzen Region sei indes kein Plan oder Programm iSd SUP-RL. Ein Rechtsakt, mit dem ein mitgliedstaatliches Organ regionale Erhaltungsziele als Richtwerte für seinen gesamten Zuständigkeitsbereich, nicht aber für einzelne Natura 2000-Gebiete festlege, setze keinen Rahmen für künftige Projektgenehmigungen.


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