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VwGH zu ForstG; Rodung

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Verwaltungsstrafverfahren wegen konsensloser Rodung – überlange Verfahrensdauer ist strafmildernd

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VwGH 14. 12. 2009, 2006/10/0250

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EMRK: Art 6; ForstG: § 17 Abs 1, § 174 Abs 1 lit a Z 6

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Aus den Entscheidungsgründen des VwGH:

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Im vorliegenden Fall wurde dem Bf mit Ladungsbescheid vom 25. 7. 2001 vorgehalten, er habe es … zu verantworten, dass „bereits vor dem 21. 7. 1997 eine konsenslose Rodung … erfolgte und die Waldfläche … einer anderen Verwendung zugeführt wurde“; er habe hiedurch die Verwaltungsübertretung nach § 174 Abs 1 lit a Z 6 iVm § 17 Abs 1 ForstG begangen. Unter „Rodung“ ist die Verwendung von Waldboden für waldfremde Zwecke zu verstehen; durch § 17 Abs 1 iVm § 174 Abs 1 lit a Z 6 ForstG wird daher die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als solchen der Waldkultur pönalisiert. Bei der Verwaltungsübertretung nach § 174 Abs 1 lit a Z 6 iVm § 17 Abs 1 ForstG handelt es sich somit um ein Dauerdelikt (vgl zB VwGH 9. 8. 2006, 2005/10/0224, mwN). Im Allgemeinen erfasst die verwaltungsstrafrechtliche Verurteilung eines Beschuldigten wegen eines solchen Delikts das gesamte vor der Erlassung des Straferkenntnisses erster Instanz gelegene strafbare Verhalten, soweit dieses nicht bereits Gegenstand einer früheren Bestrafung war oder die Strafbehörde annahm, dass die Strafbarkeit des Verhaltens zu einem früheren Zeitpunkt geendet hätte (vgl zB VwGH 31. 7. 2009, 2006/10/0027, mwN).

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Legt man dies dem oben wiedergegebenen Vorhalt, der Bf habe es zu verantworten, dass „jedenfalls vor dem 21. 7. 1997 eine konsenslose Rodung erfolgte“, als Deutungsschema zugrunde, so folgt daraus, dass der Bf im Juli 2001 von der Einleitung eines Strafverfahrens wegen der (jedenfalls) seit dem 21. 7. 1997 andauernden Verwaltungsübertretung nach § 174 Abs 1 lit a Z 6 iVm § 17 Abs 1 ForstG in Kenntnis gesetzt wurde. Der dort angegebene Zeitraum schließt somit den der Verurteilung zugrunde gelegten Zeitraum „vom 22. 7. 1997 bis 28. 6. 2004“ in sich.

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Die für die Beurteilung der Angemessenheit der Dauer des Strafverfahrens iSd Art 6 EMRK maßgebliche Frist beginnt somit mit dem Zugang des Ladungsbescheides vom 25. 7. 2001 an den Bf; die an ihn ergangene Aufforderung zur Rechtfertigung (vom 29. 6. 2004), die lediglich in Ansehung der behördlichen Annahme des Beginnes des strafbaren Verhaltens vom Vorhalt des Ladungsbescheides abweicht („zumindest vom 22. 7. 1997 an“ statt „jedenfalls vor dem 21. 7. 1997“), ist insoweit nicht maßgeblich. Daran ändert auch der Umstand, dass dem Bf am 15. 11. 2006 (somit nach Erlassung des angefochtenen Bescheides) von der Behörde erster Instanz von der „Einstellung eines Strafverfahrens“ Mitteilung gemacht wurde, schon deshalb nichts, weil diese Mitteilung nach Lage des Falles keine derogatorische Wirkung in Ansehung der Bestrafung hatte.

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Es sind auch Umstände, die als Verschulden des Bf an der langen Dauer des Strafverfahrens gewertet werden könnten, nicht ersichtlich. Die Behörde beruft sich in diesem Zusammenhang zu Unrecht auf Fristsetzungs- und Aussetzungsanträge, die die Gemeinde P. gestellt hätte. Diese bezogen sich nämlich auf das Verfahren zur Erteilung einer Rodungsbewilligung. Die Entscheidung über einen Antrag auf nachträgliche Erteilung einer Rodungsbewilligung betrifft jedoch keine Voraussetzung der Strafbarkeit eines Verstoßes gegen das Rodungsverbot. Anträge der Gemeinde im Rodungsverfahren boten somit keinen Anlass, mit der Fortführung des Strafverfahrens gegen den Bf zuzuwarten, weil selbst im Falle der nachträglichen Erteilung der Rodungsbewilligung die Strafbarkeit des Verstoßes gegen das Rodungsverbot bis zur Erteilung andauert.

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Da weder Art und Umfang des Sachverhalts noch die zu beurteilenden Rechtsfragen die Behandlung der Rechtssache ungewöhnlich komplex oder schwierig erscheinen ließen und sich im vorliegenden Verfahren auch keine weiteren besonderen Umstände ergeben haben, welche die Dauer des Verfahrens rechtfertigen könnten, ist die Dauer bis zur Zustellung des angefochtenen Bescheides nicht mehr als angemessen iSd Art 6 Abs 1 EMRK zu qualifizieren.

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Die belangte Behörde hat somit im Beschwerdefall das Gesetz bei der Strafbemessung in einer dem Art 6 Abs 1 EMRK widersprechenden Weise angewendet, weil sie die überlange Verfahrensdauer nicht festgestellt und strafmildernd bewertet hat (vgl dazu aus jüngster Zeit auch das Urteil des EGMR vom 6. 5. 2008, Karg gg Österreich, ÖJZ 2008/16 (MRK) 10).

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