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Auflagenverstoß führt zu AlSAG-Beitragspflicht: VwGH, quo vadis?

Im Erkenntnis vom 29.7.2015, Ra 2015/07/0041 (noch nicht veröffentlicht), hat der VwGH seine Judikatur zur Altlastenbeitragspflicht für die Lagerung von Abfällen dahingehend weiterentwickelt, dass eine solche trotz aufrechter (abfallwirtschaftsrechtlicher) Genehmigung schon dann besteht, wenn gegen eine Auflage im Genehmigungsbescheid verstoßen wird. Die Revisionswerberin betreibt eine mechanische Abfallbehandlungsanlage einschließlich der Zwischenlagerung für gefährliche und nicht gefährliche Abfälle. Die abfallrechtlichen Genehmigungen sehen vor, welche Abfallarten in welchem Ausmaß und in welchen Anlagenbereichen behandelt bzw. zwischengelagert werden dürfen. Im Zuge der bei einer behördlichen Überprüfung festgestellten Konsensüberschreitungen wurden der Revisionswerberin abfallpolizeiliche Maßnahmen und Aufträge, bei denen es sich im Wesentlichen um Beseitigungsaufträge handelte, erteilt. Ein parallel durchgeführtes Verwaltungsstrafverfahren wegen konsenswidriger Abfallablagerungen wurde in Folge der von der Revisionswerberin (zur alten Rechtslage) erhobenen Berufung eingestellt. In weiterer Folge schrieb das Zollamt die Entrichtung eines Altlastenbeitrages wegen der Überlagerung mit Abfällen vor. Mit Antrag der nunmehrigen Revisionswerberin wurde ein AlSAG-Feststellungsverfahren gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AlSAG zur Frage der AlSAG-Beitragspflicht der Abfallüberlagerung eingeleitet, über welches der VwGH nunmehr entschieden hat. Zur Erinnerung: Nach der bisherigen Judikatur des VwGH unterliegt das Lagern oder Zwischenlagern in einer kürzeren als der in § 3 Abs. 1 Z 1 lit b AlSAG genannten Zeitdauer auch dann der Altlastenbeitragspflicht, wenn nicht alle hierfür erforderlichen behördlichen Bewilligungen (Anzeigen oder Nichtuntersagungen) vorgelegen sind (VwGH 24.1.2013, 2010/07/0218, und 23.4.2014, 2013/07/0269, sowie 25.9.2014, Ra 2014/07/0046). Im nunmehrigen Erkenntnis hält der Gerichtshof in den Entscheidungsgründen zur eingangs erwähnten Fortführung dieser Judikaturlinie fest: „Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu ausgeführt, es könne dem Gesetzgeber des AlSAG nicht unterstellt werden, er habe eine Verwendung oder Behandlung von Abfällen – wozu auch deren Lagerung zu zählen ist –, die der Rechtsordnung widerspricht, privilegieren wollen, indem er sie von der Beitragspflicht ausgenommen habe. Ferner spricht auch weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck des § 3 AlSAG für ein gegenteiliges Normenverständnis (vgl. dazu erneut das Erkenntnis vom 24. Jänner 2013, Zl. 2010/07/0218). Diese Grundsätze treffen aber auch auf jene Fälle zu, in denen – wie hier – zwar eine abfallwirtschaftsrechtliche Bewilligung erteilt wurde, vom Bewilligungsinhaber jedoch entsprechende Bescheidauflagen nicht eingehalten wurden, was dazu führte, dass eine Abfallüberlagerung erfolgte. Auch in diesem Fall liegt eine der Rechtsordnung widersprechende Lagerung vor, der das Privileg des § 3 Abs. 1 Z 1 lit b AlSAG nicht zukommt. Für eine unterschiedliche Gewichtung eines Auflagenverstoßes einerseits und einer fehlenden Bewilligung andererseits besteht – entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht – im vorliegenden Zusammenhang keine Grundlage.“ (…) „Angesichts der – aus den erwähnten Gründen – der Rechtsordnung widersprechenden Lagerung von Abfällen kommt es bei der Beurteilung der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Z 1 lit b AlSAG auch nicht darauf an, ob von der gegenständlichen Abfallüberlagerung eine Gefährdung (von Schutzgütern) ausgegangen ist.“ Betrachtet man die vom VwGH in seinem Erkenntnis selbst zitierten bisherigen Entscheidungen, kommt dieses Ergebnis nicht völlig überraschend. Das nunmehrige Erkenntnis dürfte in der Abfallwirtschaftsbranche allerdings zumindest ähnlich hohe Wellen schlagen, wie die zitierte Entscheidung vom 24.1.2013. Schon zum damaligen Erkenntnis wurde zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich bei § 3 Abs. 1 Z 1 lit b AlSAG um einen Beitragstatbestand handelt, der eben nur das mehr als einjährige Lagern von Abfällen zur Beseitigung oder das mehr als dreijährige Lagern von Abfällen zur Verwertung der Beitragspflicht unterwirft. Das vom Gerichtshof entwickelte Kriterium der Rechtskonformität, wonach auch für darunter liegende Zeiträume eine Beitragsfreiheit nur dann vorliegt, wenn alle erforderlichen behördlichen Bewilligungen (Anzeigen oder Nichtuntersagungen) vorhanden sind, ist dem Beitragstatbestand nicht zu entnehmen. Diese Argumente können auch für die nunmehrige Entscheidung und der darin geforderten „Genehmigungskonformität“ vorgebracht werden. Das ein Anlagenbetreiber über alle erforderlichen behördlichen Bewilligungen (Anzeigen oder Nichtuntersagungen) verfügt und darüber hinaus auch die darin vorgeschriebenen Auflagen einhält, mag aus rechtspolitischer Sicht wünschenswert sein. Zur Einhaltung dieser Vorgaben ist das dem Abgabenrecht nahestehende Altlastensanierungsgesetz meines Erachtens nach aber nicht das geeignete Instrumentarium. Der Gesetzgeber sieht hierfür andere Mittel und Wege vor. Wie im Ausgangssachverhalt auch geschehen, können Verwaltungsbehörden mit den ihnen nach dem/den Materiengesetz(en) zur Verfügung stehenden Mitteln – wie beispielsweise (abfall-)polizeiliche Maßnahmen und Aufträge – den rechtskonformen Zustand wiederherstellen. Zusätzlich bieten gerade auch die Verwaltungsstraftatbestände des AWG 2002 ausreichende Sanktionsmöglichkeiten, um die Einhaltung von Bescheidauflagen zu gewährleisten. Darüber hinaus gehende „Sanktionen“ wie die Vorschreibung von AlSAG-Beiträgen als direkte Folge von Auflagenverstößen erscheinen dogmatisch fragwürdig, kommen für Anlagenbetreiber völlig überraschend (darin wird sich ohne Gesetzesänderung bzw. entsprechender rechtlicher Beratung auch in den nächsten Jahren nichts ändern) und können angesichts der im AlSAG normierten Beitragssätze für ein Unternehmen ruinöse Folgen haben. Offen bleibt darüber hinaus, ob auch jeder noch so geringfügige Auflagenverstoß zu einer automatischen Beitragspflicht führt. Nach den Ausführungen des VwGH muss man dies wohl trotz Hintertür (arg „im vorliegenden Zusammenhang“) annehmen – nach der Meinung des Gerichtshofs kommt es ja auch nicht darauf an, ob von einem Auflagenverstoß eine Gefährdung von Schutzgütern ausgeht. Summa summarum wird damit über das Ziel hinausgeschossen. So könnte beispielsweise auch eine konsenswidrige Falsch- bzw. Nichtbeschriftung von Lagerboxen für harmlose Abfälle schon zu einer Beitragspflicht führen. Bei einer lebensnahen Betrachtung werden damit Unternehmen wohl flächendeckend mit einer AlSAG-Beitragspflicht konfrontiert werden. Eines steht jedenfalls jetzt schon fest: Die Tragweite dieser Entscheidung – sowie die zu erwartenden Folgeerkenntnisse – werden uns noch eine Zeit lang beschäftigen …

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