In seinem Erkenntnis vom 24.4. 2020 bestätigte das BVwG für das Projekt „HL-Strecke Wien-Salzburg, viergleisiger Ausbau und Trassenverschwenkung im Abschnitt Linz-Marchtrenk“ die grundsätzliche Genehmigungsfähigkeit nach dem UVP-G 2000 und sprach damit zugleich auch über den von der Projektwerberin (PW) eingebrachten Änderungsantrag ab. Das Vorbringen der Beschwerdeführer (BF) wurde zum größten Teil abgewiesen.
Bei seiner Entscheidung hatte sich das Gericht ua mit folgenden Rechtsfragen auseinanderzusetzen:
Zum Umfang der Grundsatzgenehmigung: Die BF machten die Mangelhaftigkeit der behördlichen Genehmigung geltend. Es ist hierzu anzumerken, dass es während des Rechtsmittelverfahrens zu einer Gesetzesänderung durch die UVP-Novelle 2018 kam: hatte das BMVIT gem § 24f Abs 9 UVP-G die „grundsätzliche Zulässigkeit des Vorhabens“ festzustellen, wird nur noch die Feststellung der grundsätzlichen Umweltverträglichkeit verlangt. Die Grundsatzgenehmigung entspricht nun einer Grobprüfung. Sie ist zu erteilen, wenn die Umweltverträglichkeit des Vorhabens (unter Vorschreibung von Auflagen) gegeben ist und bedeutet nicht die Feststellung der Genehmigungsfähigkeit. Außerdem hat die Behörde über Aspekte abzusprechen, die in keinem der nachfolgenden Materienverfahren mehr geprüft werden, und festzulegen, welchen Bereichen Detailgenehmigungen vorbehalten bleiben. Der PW soll so erleichtert werden, ein genehmigungsfähiges Detailprojekt zu erarbeiten. Die belangte Behörde hat im gegenständlichen Fall aufgrund der damaligen strengeren Rechtslage das Erforderliche sogar überfüllt. Der Beschwerdepunkt war daher abzuweisen.
Zum Änderungsantrag der Projektwerberin: Dem Vorbringen der BF, die beantragten Änderungen müssten nach dem aktuellen Stand der Technik neu geprüft werden, hat das Gericht widersprochen: Maßgeblich ist der Stand der Technik zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor der Behörde. Eine laufende Adaptierung des Standes der Technik ist nicht vorgesehen.
Zur Verpflichtung des BVwG zur Prüfung von „Projektalternativen“ der BF: Die PW bestimmt durch ihren Antrag, was Gegenstand des Verfahrens ist. Eine Alternativenprüfung ist zwar gem § 6 Abs 1 Z 10 UVP-G vorgesehen, doch obliegt diese dem Antragsteller und nicht der Behörde oder dem Gericht. Es besteht auch keine Verpflichtung zur Auswahl einer bestimmten bzw von den BF gewünschten Alternative. Es ist der PW überlassen, welche Variante sie bei der Behörde einreicht, das Gericht hat nur die (grundsätzliche) Umweltverträglichkeit zu prüfen. Der Pflicht zur Alternativenprüfung ist die Konsenswerberin nachgekommen, ein Anspruch der BF auf Prüfung der von ihnen vorgeschlagenen Alternativen besteht nicht.
Zum Nullplanfall und zur Prognose der Lärmbelastung: Das Vorbringen der BF, bei der Ermittlung des Nullplanfalles hätte die bereits bestehende und von der PW zu sanierende Überbelastung berücksichtigt werden müssen, wurde vom BVwG abgewiesen: Der Nullfall ist der Ist-Zustand der Umweltsituation vor dem Vorhaben. Nach Rspr des VwGH ist selbst dann von den tatsächlichen bestehenden Werten auszugehen, wenn die PW verpflichtet wäre, niedrigere Immissionswerte herbeizuführen. Auch Fehler bei der Erstellung des Prognosefalles konnte das Gericht nicht erkennen. Bei der Prognoseerstellung sind die voraussichtlichen, nicht die potentiellen Beeinträchtigungen entscheidend. Ein Worst-Case-Szenario ist nicht maßgeblich. Ebenso ist bei der Prognose nicht auf die maximale technische Kapazität abzustellen.
Zur behaupteten Verletzung des Eigentumsrechts durch den Genehmigungsbescheid: Die BF wandten ein, dass die geplante Verschwenkungsvariante gegenüber dem Bestandsausbau einen doppelten Flächenbedarf hat und daher zu nicht erforderlichen Enteignungen führt. Der Genehmigungsbescheid verletze daher durch die Festlegung der Trassenführung die BF in ihrem Grundrecht gem Art 5 StGG. Das BVwG weist das Vorbringen ab: Betroffene haben kein subjektives Recht auf Auswahl oder Verwirklichung einer bestimmten Trasse. Außerdem lässt sich der genaue Enteignungsbedarf zu diesem Zeitpunkt gar nicht festlegen, weil noch die Möglichkeit zum Abschluss freiwilliger Verträge der PW mit Betroffenen besteht. Zwar können gem § 24f Abs 10 UVP-G bestimmte Zwangsrechte ab Rechtswirksamkeit der Grundsatzgenehmigung in Anspruch genommen werden, allerdings nur insofern, als diese bereits bestimmt genug sind. Dem vorliegenden Genehmigungsbescheid sind solche detaillierten Festlegungen aber nicht zu entnehmen. Eine Prüfung der Enteignungsvoraussetzungen kann erst im Detailgenehmigungsverfahren durchgeführt werden, wobei auch hier auf das konkrete Projekt und nicht auf etwaige Alternativen abzustellen ist. Das Kriterium der Erforderlichkeit bzw Notwendigkeit der Enteignung bezieht sich außerdem nicht auf das Vorhaben an sich, sondern auf die Enteignung einer konkreten Fläche, die der Umsetzung des bereits bewilligten Vorhabens dient.
Zur Unbestimmtheit der Auflagen: Einige BF brachten vor, dass die im Genehmigungsbescheid genannten Auflagen nicht hinreichend bestimmt iSd § 59 Abs 1 AVG seien. Das Gericht wies auch dieses Vorbringen ab: Erstens widerspricht die Formulierung der Auflagen nur dann dem Bestimmtheitsgebot, wenn der Inhalt dem Bescheidadressaten unter Beiziehung eines Fachmannes nicht klar erkennbar ist. Zweitens können die BF nur Verletzungen von Umweltvorschriften oder Eingriffe in subjektive Rechte geltend machen: beides liegt hier aber nicht vor. Die in einer Grundsatzgenehmigung enthaltenen Nebenbestimmungen sind nicht geeignet, in subjektive Rechte einzugreifen. Ein Eingriff ist erst nach Durchführung des Detailgenehmigungsverfahrens möglich.
Zum Immissionsminimierungsgebot: Zur Einwendung der BF, die Behörde habe bei der Genehmigung nicht das Immissionsminimierungsgebot des § 24f Abs 1 Z 2 UVP-G 2000 beachtet, merkt das BVwG an, dass das gegenständliche Vorhaben einerseits dem Stand der Technik entspricht und andererseits die vom § 24f Abs 1 Z 2 UVP-G 2000 erfassten Schutzgüter nicht beeinträchtigt. Somit gilt bei Auflagen bzgl Immissionsbelastung der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, nach dem die Vorschreibung zusätzlicher Maßnahmen in einem vernünftigen Verhältnis zu der damit erreichbaren Verringerung der Belastung stehen muss.
Zu vorgebrachten Widersprüchen betreffend die Raumordnung: Das BVwG betont, dass für die Genehmigung nur die zum Einreichungszeitpunkt geltenden raumordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt werden müssen. Außerdem gehe die Fachplanung des Bundes grundsätzlich den Ländern und den Gemeinden vor. Das Torpedierungsverbot ist zu beachten, vor allem bei Änderungen der örtlichen Entwicklungskonzepte seitens der Gemeinden während des laufenden Verfahrens.
Zur Qualifikation des Rübeverladeplatzes als Eisenbahnanlage: Zur Behauptung der BF, bei dem neu geplanten Rübeverladeplatz handle es sich nicht um Eisenbahnanlage iSd § 10 EisbG, erwägt das BVwG Folgendes: Es ist einzelfallbezogen zu prüfen. Der gegenständliche Rübenverladeplatz besteht zur Gänze aus Gleisanlagen, Anlagen und Grundflächen, die den Be- und Entladevorgängen dienen, weiters wurde er hinsichtlich seiner Ausgestaltung ausschließlich nach eisenbahnbetrieblichen Erfordernissen dimensioniert und der Betrieb soll ebenfalls diesen folgen. Der Rübenverladeplatz stellt daher eine Eisenbahnanlage iSd § 10 EisbG dar.