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EuGH – Entscheidung im Vorabentscheidungsverfahren C-474/10 betreffend die Auslegung der Art. 6 Abs.

Aufgrund des vom nordirischen Court of Appeal eingereichten Vorabentscheidungsersuchens (Rechtssache C-474/10, Urteil vom 20. Oktober 2011) hatte sich der EuGH mit drei Fragen betreffend des Art. 6 der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (RL 2001/42/EG) auseinanderzusetzen.\ \ Die ersten beiden Fragen betreffen die Thematik, ob die einschlägigen Bestimmungen der RL 2001/42 verlangen, dass, wenn eine Behörde, die als zu konsultierende Behörde iSd Art. 6 Abs. 3 bestimmt wurde, selbst für die Ausarbeitung eines Planes iSd Richtlinie zuständig ist, eine andere Behörde, die insbesondere im Rahmen der Erstellung des Umweltberichts und der Annahme dieses Plans zu konsultieren ist, zu bestimmen ist.\ \ Hintergrund dieser Fragestellung ist, dass im Rahmen der nationalen Umsetzung durch das Vereinigten Königreich in Nordirland – anders als in Schottland, England und Wales – nur eine einzige Behörde (in concreto das Department of Environment, das vier ausführende Dienststellen umfasst) als zu konsultierende Behörde iSv Art 6 Abs. 3 bestimmt wurde, welche aufgrund der politischen Gegebenheiten über eine eigene örtliche umweltbezogene Zuständigkeit verfügt, die eine Konsultation einer in einem anderen Teil der UK bestimmten Behörde zu Plänen oder Programmen die Nordirland betreffen ausschließt.\ \ Der EuGH kam zum Ergebnis, dass unter diesen Umständen – dh wenn für einen Teil eines Mitgliedstaats, der über dezentrale Zuständigkeiten verfügt, eine einzige Behörde nach Art. 6 Abs. 3 der RL bestimmt worden ist, und diese in einem bestimmten Fall auch für die Ausarbeitung eines Plans oder eines Programms zuständig ist – Art 6 nicht verlangt, dass eine andere zu konsultierende Behörde in diesem (Teil eines) Mitgliedstaat(s) eingerichtet bzw. bestimmt wird, damit die vorgesehenen Konsultationen stattfinden können.\ \ Jedoch verlangt die einschlägige Vorschrift, dass innerhalb dieser normalerweise für die Konsultation zuständigen Behörde eine funktionelle Trennung stattfindet. Um dieser Anforderung Genüge zu tun, muss daher eine derartige behördeninterne Verwaltungseinheit über tatsächliche Autonomie verfügen, wozu – laut EuGH – unter anderem gehört, dass sie über eigene Verwaltungsressourcen und Personal verfügt und somit in der Lage ist, die Aufgaben wahrzunehmen, die den zu konsultierenden Behörden iSd Richtlinie übertragen sind. Mit dieser Eigenständigkeit soll vor allem gewährleistet werden, dass diese Verwaltungseinheit objektiv zu dem von der Behörde, an die sie angegliedert ist, vorgeschlagenen Plan bzw. Programm Stellung nimmt und somit zu einer transparenten Entscheidungsfindung beiträgt.\ \ \ \ Abschließend sprach der EuGH zur Fragestellung ob Art. 6 Abs 2 der RL 2001/42 dahingehend auszulegen ist, dass die „ausreichend bemessenen Fristen“ binnen deren die iSv Art. 6 Abs. 3 bestimmten Behörden und die betroffene Öffentlichkeit iSd Art. 6 Abs. 4 die Möglichkeit der Stellungnahme zu einem Plan- oder Programmentwurf sowie zum begleitenden Umweltbericht haben müssen, in der nationalen Umsetzungsregelung genau festgelegt sein müssen, folgendermaßen aus:\ \ Art. 6 Abs. 2 verlangt nicht, dass derartige Fristen in der nationalen Regelung zur Umsetzung der Richtlinie genau festgelegt sein müssen und daher eine einzelfallbezogene Festsetzung dieser Fristen durch die den Plan oder das Programm ausarbeitende Behörde Art. 6 Abs. 2 nicht entgegensteht. Allerdings verlangt Art. 6 Abs. 2 für den Fall einer individuellen Fristsetzung, dass die tatsächlich gesetzte Frist ausreichend bemessen ist und somit den Betreffenden (Behörde und Öffentlichkeit iSd Art 6 Abs 3 bzw. 4) effektiv Gelegenheit gegeben wird, rechtzeitig zu diesem Plan- oder Programmentwurf sowie zum begleitenden Umweltbericht Stellung zu nehmen.\ \ Erläuternd wird vom Gerichtshof dazu ausgeführt, dass eine einzelfallbezogene Festlegung der Frist für die Stellungnahme in bestimmten Fällen sogar zu einer stärke Berücksichtigung der Komplexität eines vorgeschlagenen Plans oder Programms beitragen kann und somit gegebenenfalls zur Gewährung von Fristen führt, die länger als diejenigen sind, die durch Gesetz oder Verordnung festgelegt werden könnten.

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