Mit Erkenntnis vom 24.2.2011, B 286/08-18 (im RIS noch nicht veröffentlicht), hat der Verfassungsgerichtshof dem im Emissionszertifikategesetz (EZG) zu Grunde gelegten System des Emissionshandels einen weiteren Persilschein ausgestellt. Sämtliche Beschwerdepunkte eines Anlagenbetreibers gegen seinen Zuteilungsbescheid für die zweite Handelsperiode (2008 bis 2012) wurden als verfassungsgesetzlich nicht relevant abgewiesen.\\Zur Erinnerung: Während mehrere Verfassungsbeschwerden gegen den Zuteilungsmodus des EZG für die erste Handelsperiode (2005 bis 2007) noch erfolgreich waren (VfGH 11.10.2006, G 138/05 ua, V 97/05 ua), kam der Gerichtshof mit Erkenntnis vom 5.3.2010, G 234-237/09, V 64-67/09 ua, zu dem Ergebnis, dass das in der Zwischenzeit novellierte Zuteilungssystem für Emissionszertifikate nun nicht mehr verfassungswidrig ist. Der Nationale Zuteilungsplan sei eine bloß „sachverständige Grundlage“ für Zuteilungsverordnung und -bescheide, eine Verfassungswidrigkeit somit nicht zu erkennen.\\In den nun fortgesetzten Beschwerdeverfahren hat der Gerichtshof über weitere geltend gemachte Beschwerdepunkte abzusprechen; mit der eingangs genannten Entscheidung greift er aber keinen der vorgebrachten Punkte auf:\\
Early actions: Eine Ungleichbehandlung von Anlagenbetreibern, die bereits Vorleistungen erbracht haben (der Beschwerdeführer hatte seine Anlage bereits im Jahr 2004 optimiert), gegenüber jenen, die erst nach der jeweiligen Basisperiode Maßnahmen zur Verbesserung der Technologie setzen, sei nicht zu erkennen. Angesichts der mit dem Emissionshandelssystem verbundenen „Absicht einer sukzessiven, aufeinander aufbauenden Reduzierung der CO2-Emissionen“ seien Vorleistungen eben „nur für Zeiten vor den Basisperioden und Zuteilungsperioden“ zu berücksichtigen.
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Verspätete Erlassung der Zuteilungsverordnung: Der Umstand, dass die Zuteilungsverordnung 2. Periode nicht wie gesetzlich vorgesehen „sechs Monate vor Beginn der Periode“ erlassen wurde, ist unbeachtlich. Anders als noch im Prüfbeschluss vom 11.10.2005 meint der Gerichtshof nun, dass damit nicht die Verordnungsgrundlage wegfalle. Schließlich könne man ansonsten im Fall der Verspätung dem Gesetzesauftrag nicht mehr nachkommen.
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Zuteilung an Anlagen: Die Zuteilung von Zertifikaten an „Anlagen“, also nicht an die Rechtsperson des Anlagenbetreibers, im Weg der Zuteilungsverordnung sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Entgegen dem Gesetzeswortlaut erfolge die Zuteilung nämlich „mit einem zwar für bestimmte Anlagen, jedoch an die Anlageninhaber ergehenden Bescheid“.
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Klimaschutzbeitrag: Das Beschwerdevorbringen, der durch die emissionshandelspflichtigen Anlagen zu erbringende Klimaschutzbeitrag, welcher sich in der „Gesamtzahl“ der zu vergebenden Zertifikate niederschlägt, sei Ergebnis einer politischen, rechtlich und fachlich nicht nachvollziehbaren Festlegung, ist ebenfalls unbegründet: „Wenn der Klimaschutzbeitrag für das Emissionszertifikatesystem als Ganzes die Summe der individuellen Klimaschutzbeiträge der einzelnen Anlagen bildet, so errechnet sich der Klimaschutzbeitrag nach den Formeln der ZuteilungsVO 2. Periode.“
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\Der Umstand, dass der Gerichtshof nach dem „systemwahrenden“ Abschluss des Gesetzesprüfungsverfahrens nun in den anhängigen Beschwerdeverfahren nicht weitere Verfassungswidrigkeiten entdeckt, ist nicht wirklich überraschend. Dennoch wäre es erfreulich, wenn man die – zum Teil äußerst knapp vorgetragenen – Überlegungen des Gerichtshofs auch inhaltlich nachvollziehen könnte. Eine Berücksichtigung von Vorleistungen (Early actions), die vor der Basisperiode erbracht worden sind, kann entgegen den Ausführungen des Gerichtshofs nämlich weder dem Gesetz noch den Zuteilungsverordnungen für die erste und zweite Handelsperiode entnommen werden. Auch die durch den Gerichtshof angeführte Berechnung des Klimaschutzbeitrags für das Emissionszertifikatesystem durch die „individuellen Klimaschutzbeiträge der einzelnen Anlagen“ ist nicht ganz treffsicher. Hier verwechselt der Gerichtshof möglicherweise Ursache und Wirkung: Durch den sogenannten „Erfüllungsfaktor“, also jener Größe, welche die Einzelanlagenzuteilungen an die politisch festgelegte „Gesamtzahl“ (den Klimaschutzbeitrag) anpasst, ergibt sich nämlich der Klimaschutzbeitrag nicht aus den Einzelanlagenzuteilungen, sondern umgekehrt die Einzelzuteilungen aus einem politisch festgelegten, rechtlich nicht nachvollziehbaren (und offensichtlich auch nicht nachprüfbaren) Klimaschutzbeitrag.\\Es darf mit Spannung erwartet werden, welche weiteren Rechtssätze zum nach wie vor hochbrisanten Emissionshandelssystem anhand der vielen noch anhängigen Beschwerdeverfahren ergehen werden.