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Peter Sander

Generalanwalt zur Kostenregel in UVP-Verfahren

Ausgangspunkt war die Beschwerde eines Landwirts gegen eine UVP-Entscheidung, mit der die Errichtung einer Tierkadaver-Untersuchungsanlage in der Nähe seines Agrarbetriebs genehmigt worden war. Die bereits im Juni 2004 beantragte Zulassung des Rechtsmittels erfolgte erst im Juli 2007. Nachdem der irische High Court das Begehren im darauffolgenden Jahr abgewiesen und dem unterlegenen Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens gem dem einschlägigen nationalen Recht (grds trägt die unterlegene Partei die eigenen Kosten samt jener des Gegners; davon kann unter besonderen Umständen abgewichen werden) rechtskräftig auferlegt hatte, wurden diese mit rund 86.000 Euro festgesetzt.

Der betroffene Landwirt focht die Entscheidung über die Höhe der Kosten, die nur den Aufwand für die Rechtsbeschwerde als solche und nicht auch jenen des Zulassungsantrags umfasste, an und führte aus, dass sie Art 3 Abs 8, Art 9 Abs 4 AK sowie dem in der ÖB-RL (RL 2003/35/EG) enthaltenen Erfordernis für UVP-Verfahren zuwiderlaufe, wonach Überprüfungsverfahren „nicht übermäßig teuer“ sein dürfen. (Anm: Mit seinem Urteil zu ECLI:EU:C:2009:457 stellte der EuGH fest, dass Irland die mit der ÖB-RL in Art 10a UVP-RL [RL 85/337/EWG] eingefügte Kostenregel bis dahin nicht in nationales Recht umgesetzt hatte.) Da der abermals zuständige High Court die Entscheidung des Kostenfestsetzungsbeamten bestätigte, brachte der Landwirt ein weiteres Rechtsmittel beim irischen Supreme Court ein. Dieser legte die Rechtssache dem EuGH vor.

GA Bobek, der im vorliegenden Fall aufgrund der besonderen Konstellation keinen „gewöhnlichen“ Fall einer verspäteten RL-Umsetzung sieht, nahm zu den Fragen des Gerichts wie folgt Stellung:

Entfaltet die Kostenregel unmittelbare Wirkung oder besteht eine Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung?

Art 10a UAbs 5 UVP-RL erfülle alle Voraussetzungen, um dessen unmittelbare Wirkung im vorliegenden Fall zu bejahen. Die Mindestgarantien vorsehende Bestimmung sei einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich, das in ihr enthaltene unbedingte Verbot hinreichend genau und bestimmt. Auch wenn der Begriff „übermäßig teuer“ einer Auslegung im Einzelfall bedürfe, folge daraus keine generelle Unsicherheit über die Anforderungen der Regelung. Dass der EuGH im Urteil Ordre des barreaux francophones (ECLI:EU:C:2016:605) eine unmittelbare Wirkung der entsprechenden Bestimmung des Art 9 Abs 4 AK verneint habe, sei auf die Kostenregel der UVP-RL nicht übertragbar. Die darin behandelte Rechtsfrage sei in einem gänzlich anderen tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang gestellt worden. Darüber hinaus beziehe sich die gegenständliche, viel enger gefasste Rechtssache auf die unmittelbare Wirkung einer Bestimmung des Sekundärrechts der Union.

Ein über Ermessen verfügendes nationales Gericht müsse bei seiner Entscheidung sohin auch bei unterbliebener Umsetzung der Kostenregelung sicherstellen, dass es nicht zu „übermäßig teuren“ Verfahren komme. Da es sich bei der Gegnerin des Beschwerdeführers um eine öffentliche Stelle handle, sei die Richtlinienbestimmung unmittelbar anwendbar.

Welche zeitliche Geltung hat die mit der ÖB-RL in Art 10a UAbs 5 UVP-RL eingefügte Kostenregel?

Die Umsetzungsfrist der ÖB-RL endete am 25.6.2005. Das zugrundeliegende gerichtliche Überprüfungsverfahren hatte schon vor deren Ablauf begonnen, dauerte aber bis 2008 an, sodass über eine signifikante Zeitspanne nach dem Fristende Kosten anfielen. Die Frage des vorlegenden Gerichts zielt darauf ab, ob unter diesen Umständen die Kostenregel nach der UVP-RL tatsächlich geltend gemacht werden kann und falls ja, ob sie dann für sämtliche in dem Verfahren entstandene oder bloß für nach Ende der Umsetzungsfrist entstandene Kosten gilt.

Nach GA Bobek kann die zeitliche Geltung nicht alleine daran festgemacht werden, ob es sich bei der Kostenregel um eine verfahrens- oder eine materiellrechtliche Bestimmung handelt, zumal sie sich nicht eindeutig kategorisieren lasse. Aus Erwägungen der Vorhersehbarkeit und der Praktikabilität sei die Kostenregel seiner Ansicht nach ab Beginn des ersten neuen Verfahrensabschnitts nach Ablauf der Umsetzungsfrist anzuwenden, dh ab jenem Zeitpunkt, zu dem eine abschnittsbeendende oder das Verfahren fortsetzende Entscheidung (etwa über die Zulassung der Rechtsbeschwerde) ergeht. Dafür spreche, dass die Parteien an diesen Punkten am ehesten die Kosten sowie Vor- und Nachteile der Verfahrensfortführung erwögen. Außerdem würde durch diese Lösung den Kostenerwartungen der Parteien zu Beginn des Verfahrens mehr Beachtung geschenkt, als wenn zB sämtliche nach Ablauf der Umsetzungsfrist entstandene Kosten erfasst würden. Letzterer Ansatz wäre zwar aufgrund des klar definierten Zeitpunktes vorhersehbarer, doch ließen sich Kosten nicht in allen mitgliedstaatlichen Rechtssystemen derart kleinteilig aufschlüsseln. Auch stellten fixe Gebühren, die von keinem spezifischen Zeitpunkt abhingen, ein weiteres Problem dieser Variante dar, die daher weniger geeignet erscheine.

Im zugrundeliegenden Fall könne die Kostenregel daher ab dem Zeitpunkt der Zulassung der Rechtsbeschwerde geltend gemacht werden. Ihre Wirkung erstrecke sich auf die gesamte inhaltliche Überprüfung der Rechtsbeschwerde sowie die daran anknüpfende Entscheidung.

Sind der Kostenfestsetzungsbeamte bzw das überprüfende Gericht zur Anwendung der Kostenregel verpflichtet, obwohl die keine Einschränkungen enthaltende Kostenentscheidung in Rechtskraft erwachsen ist?

Zwar sei die Kostenentscheidung, mit der dem Beschwerdeführer die Tragung der Kosten auferlegt wurde, in Rechtskraft erwachsen, nicht jedoch die separat ergangene betragsmäßige Festsetzung. Ein Einzelner müsse die Kostenregel vor einer zur Entscheidung berufenen nationalen Stelle geltend machen können; nationale Gerichte und Behörden seien im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten verpflichtet, die unmittelbare Wirkung der Regelung sicherzustellen bzw bei anderslautender Entscheidung des EuGH nationales Recht richtlinienkonform auszulegen. Es widerspräche dem Grundsatz der Effektivität, wenn weder der Kostenfestsetzungsbeamte noch das seine Entscheidung überprüfende nationale Gericht in einem Fall wie dem zugrundeliegenden für die Anwendung der Kostenregel zuständig wären. Da die UVP-RL keine nationale Stelle für die Sicherstellung der Anwendung der Kostenregel bestimme, handle es sich bei der Festlegung der diesbezüglichen Zuständigkeit jedoch um eine Frage des nationalen Rechts.

Damit scheint sich die Stärkung des Rechtsschutzes in UVP-Verfahren – zumindest auf europäischer Ebene – fortzusetzen.

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