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Ist die erstinstanzliche Behörde zur mündlichen Verhandlung vor dem Umweltsenat zu laden?

Gemäß § 39 Abs 1 des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP?G 2000)[1] ist für die Verfahren nach dem ersten und zweiten Abschnitt des UVP?G 2000 die Landesregierung zuständig. Der Umweltsenat ist in diesen Verfahren Berufungsbehörde und sachlich in Betracht kommende Oberbehörde (§ 40 Abs 1 leg cit). § 12 Abs 1 des Bundesgesetzes über den Umweltsenat (USG 2000)[2] sieht vor, dass – soweit im USG 2000 oder in den Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist – im Verfahren vor dem Umweltsenat das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), einschließlich §§ 67d bis 67h AVG, anzuwenden ist. Zur Frage, ob die erstinstanzliche Behörde zur mündlichen Verhandlung vor dem Umweltsenat zu laden ist, enthält weder das USG 2000 noch das UVP?G 2000 eine ausdrückliche Bestimmung.\ \ Als maßgebliche Bestimmung im AVG betreffend die Rechtsposition der erstinstanzlichen Behörde im Berufungsverfahren erweist sich § 67b: Diesem zu Folge ist die Behörde, die den erstinstanzlichen Bescheid erlassen hat, Partei im Berufungsverfahren. Mit der Zuerkennung der Parteistellung kommen der belangten Behörde die im AVG angeführten prozessualen Rechte der Partei und somit auch das Recht auf Ladung zur mündlichen Verhandlung zu.[3]\ \ Entscheidend für die Beantwortung der in der Überschrift gestellten Frage ist daher, ob § 67b AVG auch für das Verfahren vor dem Umweltsenat gilt. Wie bereits einleitend ausgeführt, erklärt § 12 Abs 1 USG 2000 für das Verfahren vor dem Umweltsenat das AVG einschließlich der §§ 67d bis 67g für anwendbar. Da die Wendung „einschließlich der §§ 67d bis 67g“ § 67b nicht miteinschließt, ist nach der Bedeutung der ausdrücklichen Erwähnung dieser Bestimmungen zu fragen. Die Erläuterungen[4] zu § 12 Abs 1 beschränken sich auf den Hinweis, dass für den Umweltsenat das AVG gilt und er dabei die für die Verfahren vor den UVS vorgesehenen Bestimmungen der §§ 67d bis 67g anzuwenden hat.[5]\ \ Ein normativer Sinn kann der auf den ersten Blick missverständlichen Wendung „einschließlich der §§ 67d bis 67g“ nur durch den Umstand beigemessen werden, dass der pauschale Verweis auf das AVG nicht sämtliche Bestimmungen dieses Gesetzes umfasst. Diese Auffassung stützt sich darauf, dass die §§ 67a bis 67h im IV. Teil (Rechtschutz) des AVG gemäß ihrer Abschnittsüberschrift „Besondere Bestimmungen für das Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten“ grundsätzlich nur für die unabhängigen Verwaltungssenate (UVS) gelten. Dieser Abschnitt wurde mit Bundesgesetz BGBl Nr 357/1990 im Zuge der Einführung der UVS in das AVG aufgenommen. Der Verweis des Materiengesetzgebers, dass eine Behörde die Bestimmungen des AVG anzuwenden habe, schließt somit nicht die §§ 67a bis 67h mit ein. Es käme auch niemand auf die Idee, dass beispielsweise die Bezirksverwaltungsbehörden, für die Art I Abs 2 Z 1 EGVG das AVG für anwendbar erklärt, auch die besonderen Bestimmungen für das Verfahren vor den UVS anzuwenden hätten. Für den Fall, dass der Materiengesetzgeber die verfahrensrechtlichen Sonderbestimmungen für die UVS für anwendbar erklären möchte, bedarf es somit einer ausdrücklichen Regelung; ein pauschaler Verweis auf das AVG ist dafür nicht ausreichend.\ \ Vor diesem Hintergrund ist nun § 12 Abs 1 USG 2000 zu lesen, der auf das AVG „einschließlich der §§ 67d bis 67g“ verweist. Der Gesetzgeber hat hier explizit jene – grundsätzlich nur von den UVS anzuwendenden – Bestimmungen des 2. Abschnitts im IV. Teil des AVG genannt, die für das Verfahren vor dem Umweltsenat gelten sollen. Damit ist aber auch klargestellt, dass die übrigen Bestimmungen des 2. Abschnitts, nämlich die §§ 67a bis 67c sowie § 67h, nicht vom Umweltsenat anzuwenden sind. Die Nichtgeltung des § 67b AVG im Verfahren vor dem Umweltsenat hat zur Konsequenz, dass der erstinstanzlichen Behörde keine Parteistellung im Berufungsverfahren zukommt und sie daher vom Umweltsenat auch nicht zur mündlichen Verhandlung zu laden ist.\ \ Während bei § 67a (Zuständigkeit und Besetzung des UVS) und § 67c (Beschwerden wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt) die Ausnahme von der Anwendung im Hinblick auf den Regelungsinhalt dieser Bestimmungen klar ist,[6] wäre die Geltung des § 67b im Verfahren vor dem Umweltsenat aus rechtspolitischer Sicht durchaus naheliegend gewesen.[7] Aus verfassungsrechtlicher Sicht (insbesondere im Hinblick auf Art 6 EMRK) ist die Zuerkennung der Parteistellung an die erstinstanzliche Behörde im Verfahren vor dem Umweltsenat freilich nicht geboten.\ \

[1] BGBl I Nr 90/2000, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 2/2008.\ \ [2] BGBl I Nr 114/2000, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 14/2005.\ \ [3] Vgl dazu weiterführend Hengstschläger/Leeb, AVG § 67b Rz 9.\ \ [4] RV 280 BlgNR 21. GP.\ \ [5] Die Vorgängerbestimmung des § 12 USG 2000, § 9 des Bundesgesetzes über den Umweltsenat (USG), BGBl Nr 698/1993, enthielt die Wendung „einschließlich der §§ 67d bis 67g“ nicht, sondern lediglich einen allgemeinen Verweis auf das AVG. Dieser Umstand erklärt sich zum Teil dadurch, dass das USG selbst Bestimmungen über die öffentliche mündliche Verhandlung und den Ausschluss der Öffentlichkeit vorgesehen hat.\ \ [6] Bei § 67h AVG erklärt sich Ausnahme von der Anwendung wohl dadurch, dass dieser erst mit Bundesgesetz BGBl I Nr 65/2000 in das AVG Aufnahme gefunden hat und somit zum Zeitpunkt der Erlassung des § 12 USG 2000 noch nicht bestand.\ \ [7] Vgl etwa die Parteistellung des Bundesasylamtes im Verfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat bzw nunmehr vor dem Asylgerichtshofes gemäß § 41 Abs 1 des Asylgesetzes 2005, BGBl I Nr 100, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 4/2008.

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