Habemus Bundesregierung! Mit 7.1.2020 wurde das neue türkis-grüne Kabinett Kurz angelobt. Ein turbulentes politisches Jahr geht damit seinem Ende und einem Neuanfang entgegen. Mit der neuen Regierung einher geht auch ein äußerst umfangreiches Regierungsprogramm 2020-2024, in dem das Thema Umwelt eine wesentliche Rolle spielt. Wer die 328 Seiten nicht komplett lesen möchte, hat auch die Chance die Kurzversion (no pun intended) zu studieren. Der Detaillierungsgrad variiert dabei naturgemäß von Thema zu Thema recht stark. Für den Umweltrechtsblog seien einige wesentliche Punkte herausgegriffen:
Umweltverfahren verbessern (S 148): Schaffung einer zentralen digitalen Kundmachungsplattform, Anpassungen des UVP-G und des StEntG entsprechend der laufenden EU Vertragsverletzungsverfahren 2019/2224 und 2017/4072.
Verwaltungsverfahrensrecht (S 11 f): Mehr One-Stop-Shop Verfahren, Vollkonzentration im Bereich des 3. Abschnitts des UVP-G, Stärkung der bundesländerübergreifenden Nutzung von Amtssachverständigen, Reform des Kumulationsprinzips und der Verhältnismäßigkeitsprüfung, Deregulierung im Verwaltungsstrafrecht, Verfahrensbeschleunigung durch Schluss des Ermittlungsverfahrens, sowie die Klarstellung dass LVwG als „mitbeteiligte Behörden“ UVP-Feststellungsanträge stellen können.
Klimaschutz (S 104 ff): Bekenntnis zu Pariser Zielen und Erstellung eines CO2 Budgets, Nachbesserung, Konkretisierung und Stärkung des Nationalen Energie- und Klimaplans (NEKP), sowie Klimacheck für neue Gesetze und Verordnungen. Konkrete Ausbauziele erneuerbarer Energieträger (Photovoltaik: 11 TWh, Wind: 10 TWh, Wasser: 5 TWh und Biomasse: 1 TWh).
Kreislaufwirtschaft und Abfallpolitik (S 140 ff): Eine Stärkung soll die Kreislaufwirtschaft erfahren, indem Modellregionen gestützt, das Abfallvermeidungsprogramm weiterentwickelt und gesetzliche Rahmenbedingungen für die Förderung innovativen Ressourcenmanagements geschaffen werden soll. Weitere Schlagwörter sind Reduktion von Plastik, Mikroplastik und Einwegprodukten, Aufwertung und steuerliche Begünstigung von Reparatur, sowie Novellierung des ALSAG für Erleichterung von Flächenrecycling.
Biodiversität (S 143 f): Erneuerung der nationalen Biodiversitätsstrategie, Schaffung neuer und Erweiterung bestehender Nationalparks, stärkerer Fokus auf Ökosystemleistungen, sowie Überarbeitung des Schutzes vor Naturgefahren durch ausreichende Dotierung, Ausbau des Hochwasserschutzes und Zusammenführung der Zuständigkeiten für diesen. Dort soll darüber hinaus nicht-baulichen Maßnahmen Vorrang eingeräumt werden.
Wasser (S 145): Keine Privatisierung von Trinkwasser, Überarbeitung des Nitrat-Aktionsprogrammes, sowie konkrete Reduktionsziele für Nitrat und Pestizide, Vereinheitlichung der Voraussetzungen der Errichtung von Schneedepots und rechtliche Erleichterungen für die Umsetzung hydromorphologischer Maßnahmen zur Erreichung der Wasserrahmen-RL.
Luft- und Lärmschutz (S 146): Überarbeitung des nationalen Luftreinhalteprogramms mit Schwerpunkten auf Ammoniak, Stickoxide und Feinstaub, sowie Optimierung des IG-L Messstellennetzes für Ultra-Feinstaub (PM1) und Black Carbon bei PM2,5. Das Pyrotechnikgesetz solle ebenso eine Überarbeitung erfahren wie die StVO, letztere zur Ermöglichung von Geschwindigkeitsanpassungen aus Lärmschutzgründen.
Raumordnung (S 147): Verminderung des Bodenverbrauchs auf 2,5 ha/Tag bis 2030 mit Stärkung der Bodenfunktionsbewertung durch Aufnahme der CO2-Speicherkapazität.
Tierschutz in der Landwirtschaft (S 159 ff): Stärkung tierfreundlicher Haltungsformen (Stallhaltung mit Einstreu, freie Abferkelsysteme, Auslauf und Freibereich), Verbot des Schredderns lebender Küken, Verbesserung des Tierwohls bei Tiertransporten durch mehr Kontrollen und Förderung von regionalen sowie mobilen Schlachthöfen und Weideschlachtung.
Umweltkriminalität bekämpfen (S 34 f, S 218): Evaluierung und Novellierung bestehender Strafbestimmungen im Umweltstrafrecht auch mit Blick in Richtung Verbandsverantwortlichkeit und stärkere Ausbildung von Justizbehörden in dem Thema.
Informationsfreiheitsgesetz (S 17 f): Wie vielen schon aus dem Bereich der Umweltinformationen bekannt, soll das Amtsgeheimnis zugunsten eines generellen Informationsfreiheitsgesetzes fallen. Neu wäre dann das einklagbare Recht auf Informationsfreiheit gegenüber Organen der Gesetzgebung, der Verwaltung und Selbstverwaltung sowie Justizverwaltung und Unternehmen unter der Kontrollbefugnis des Rechnungshofes (mit Ausnahme börsennotierter Unternehmen).