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VwGH: Der 3. Abschnitt des UVP-G ist nicht unionsrechtskonform!

Eigentlich sollte man ein solches Posting mit „BREAKING NEWS“ beginnen, aber hier einmal eine Spur seriöser: Mit zwei bahnbrechenden Entscheidungen ließt der VwGH am 30. September aufhorchen: Der Rechtsschutz in Verfahren nach dem 3. Abschnitt entspricht nicht den unionsrechtlichen Vorgaben.\ \ Mit Beschwerden von mehreren Parteien und des Salzburger Umweltanwalts (siehe dazu auch http://salzburg.orf.at/stories/476805/) wurde versucht, das Vorhaben ÖBB-Strecke Schwarzach/St. Veit – Villach Hbf. Steinberg-Angertal Abschnitt Schlossbachgraben – Angertal zu bekämpfen. Der VwGH hat die Beschwerden zurückgewiesen (VwGH 2010/03/0051-16, 2010/03/0055-13, 2009/03/0067-8, 2009/03/0072-12; noch nicht im RIS veröffentlicht). Erfolgreich waren sie allemal, sprach der Gerichtshof doch aus, dass bei unionsrechtlich richtiger Auslegung entgegen dem Gesetzeswortlaut des UVP-G auch in Verfahren nach dem 3. Abschnitt eine Rechtsmittelzuständigkeit des Umweltsenats gegeben sein muss.\ \ Konkret hielt der VwGH dazu folgendes fest: „Art 10a der UVP-RL verlangt von den Mitgliedstaaten, im Rahmen der innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicherzustellen, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die näher bestimmte Vorraussetzung erfüllen, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen anzufechten [… Es ist es zwar] grundsätzlich Sache des nationalen Rechts […], die Klagsbefugnis und das Rechtsschutzinteresse des Einzelnen zu bestimmen, durch die nationalen Rechtsvorschriften das Recht auf einen effektiven Rechtsschutz aber nicht beeinträchtigt werden dürfe.“ Dabei handle es sich auch um ein Grundrecht im Sinne des Art 47 der Charta der Grundrechte und es sei vor diesem Hintergrund „weder mit dem Wortlaut und der Systematik noch mit der Zielsetzung des Art 10a UVP-RL, der betroffenen Öffentlichkeit einen effektiven Rechtsschutz gegen umweltbezogene Entscheidungen zu gewähren, vereinbar, wenn die Kognitionsbefugnis des überprüfenden Gerichtes insbesondere einer Beschränkung dahingehend unterworfen ist, dass die von der Verwaltungsbehörde angenommenen Tatsachen, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegen, keiner oder nur einer beschränkten Kontrolle unterliegen.“ Nach Ansicht des Gerichtshofes genügt die derzeitige Rechtslage den unionsrechtlichen Anforderungen nicht, was auch – und das ist in dieser Deutlichkeit durchwegs bemerkenswert – mit Zitaten aus den erläuternden Bemerkungen zum USG und dessen Novellen untermauert wird.\ \ Weiters heißt es in dem Erkenntnis, dass der gegenständliche Fall deutlich zeigt, „dass eine gerichtliche Kontrollinstanz, die mit voller Tatsachenkognition ausgestattet ist, im Anwendungsbereich der UVP-RL, in dem das Unionsrecht – unbeschadet des Art 47 der Grundrechtecharta bzw des Gebots des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes – jedenfalls ein spezifisches Rechtsschutzgebot vorsieht, vom Verwaltungsgerichtshof in seiner Funktion als Höchstgericht und auf Grundlage der von ihm anzuwendenden Rechtsvorschriften nicht ersetzt werden kann„, da dem VwGH auf Basis des § 41 VwGG lediglich eine auf Rechtsfragen beschränkte Kontrollbefugnis zukommt.\ \ In seiner Schlussfolgerung kommt der Gerichtshof daher unter Heranziehung von EuGH-Judikatur zu dem Schluss, dass „die genannten, die Zuständigkeit des Umweltsenates auf Angelegenheiten des ersten und zweiten Abschnittes des UVP-G 2000 beschränkenden Rechtsvorschriften unangewendet [zu bleiben haben], sodass der Umweltsenat auch zur Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie in Angelegenheiten der Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem dritten Abschnitt des UVP-G 2000 – soweit dies unionsrechtlich geboten ist – zuständig ist„, und dass – in diesem Zusammenhang –  dem „Unionsrecht auch Vorrang gegenüber dem innerstaatlichen Verfassungsrecht zukommt„.\ \ Das bedeutet vor allem, dass der Gesetzgeber nun am Zug ist. So wie es aufs erste aussieht, ist dieses Erkenntnis wohl das Ende der „Sonderbehandlung“ von ÖBB und ASFINAG. Für die Verfahrensparteien heißt es wohl, ein Rechtsmittel an den Umweltsenat zu richten – nicht zuletzt, da der VwGH freundlicherweise auch gleich einen Hinweis auf die Wiedereinsetzung gegeben hat. Für UVP-Juristen sind das natürlich spannende Zeiten, für Betreiber von Hochleistungstrsecken wohl teure …

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